Essen-Gerschede. Ein großer Weltkriegs-Bunker in Gerschede diente einst zur Champignon-Zucht und als Rocker-Quartier. 70 Jahre nach dem Bau soll er jetzt verfüllt werden.

Der grüne Hügel gleich an der Kreuzung Kamerunstraße, Hansemannstraße und Gerscheder Straße strahlt viel Ruhe aus. Die kleinen Wege werden von den Spaziergängern gerne zur Flucht aus dem hektischen Alltag genutzt. Und auch den Gassi gehenden Hunden scheint das Grün zu gefallen: Sie markieren gerne ihr Revier. Was viele der Spaziergänger und selbst die direkten Nachbarn des grünen Hügels in Gerschede nicht wissen: Dieser hat ein Innenleben. Im Dezember 1943 wurde hier ein unterirdischer Bunker gebaut, der bis zu 5000 Menschen beherbergen sollte. Fast genau 70 Jahre später soll der Betonklotz endgültig „begraben“ werden: Die Stadt Essen will den Bunker in diesem Jahr verfüllen.

Für Irmgard Prochaska, 75, war der Bunker im Zweiten Weltkrieg ein Fluchtpunkt. Wenn wieder einmal ein Angriff aus der Luft drohte, nahm Opa Hermann Rose seine sechsjährige Enkelin, die dann schnell ihre Lieblingspuppe einpackte, an die Hand. Gemeinsam eilten beide zum Bunkereingang. Eine steile Treppe führte von dort in die dunkle Tiefe. Von dem mehrere hundert Meter langen Hauptgang gingen Nebentunnel ab. In einem kauerten Opa und Enkelin auf einer einfachen Holzbank und sehnten die Entwarnung herbei.

"Gase und viel Wasser" im Bunker

Heute, 70 Jahre später, besucht Berthold Prochaska, Gatte von Irmgard Prochaska, einmal in der Woche den Bau für die Ewigkeit. Der Rentner und Geschichtsfreund treibt in einer benachbarten Turnhalle Sport und spaziert vorher und nachher am früheren Eingang der riesigen Tunnelanlage vorbei. Die wurde nach dem Krieg für die Champignon-Zucht benutzt. In den 1980er-Jahren sollen Rocker in den dunklen wie feuchten Gängen unterwegs gewesen sein. Die Stahltür, die lange den Eingang sicherte, verschwand über die Jahre hinter Holzbarken. Inzwischen wurde der Eingang zugemauert und gleich oberhalb ein Ersatzeinstieg installiert. Wenige Meter weiter ragt ein zwei Meter hohes Lüftungsrohr des Bunkers als vergessenes Relikt von damals aus dem Boden.

Bunkeranlage unter Essener Villa

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    Einmal im Jahr stieg bislang ein Mitarbeiter des Tiefbauamts hinab und kontrollierte die historischen Gänge. Allerdings war er nicht der einzige Gast: Nachdem im letzten Jahr unerwünschte Besucher in den Bunker hinabgeklettert waren, hat die Stadt eine schwere Betonplatte auf den Eingang legen lassen. Die wird im Laufe des Jahres ein letztes Mal angehoben. Denn der Gerscheder Bunker, der dem Bund gehört, soll mit Zement und Wasser verfüllt werden. „Er ist nicht in allerbestem Zustand. Es gibt Gase und viel Wasser“, erklärt Rolf Gramatke, zuständiger Mitarbeiter im Tiefbauamt der Stadt. An dem von der Organisation Todt im Dritten Reich gebauten Bunker nagt der Zahn der Zeit.

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    Derzeit läuft das Genehmigungsverfahren. Im Sommer werden die Arbeiten mit einer temporären Baustelle erledigt. Dann zieht in dem grünen Hügel in Gerschede endgültig die ewige Ruhe ein.