Essen. . Auf dem Panzerbau-Gelände in Essen-Borbeck war im Zweiten Weltkrieg eine Krupp-Waffenschmiede. Heute suchen dort Hunde Auslauf und Herrchen ihre Ruhe bei Spaziergängen durchs Grüne. Ein Ortsbesuch – für Folge 54 unserer Serie „Essen entdecken – 100 besondere Orte“.
Der Panzerbau in Borbeck ist ein Paradies für Hunde und Herrchen mit Ausdauer. Wer Ruhe sucht und Platz zum Auslaufen, der ist hier, nördlich der Köln-Mindener Eisenbahnlinie zwischen Weidkamp und Alte Bottroper Straße richtig. Sportliche Naturen trauen sich hinauf auf die in den 1980er Jahren aufgeschüttete Halde mit Erdreich aus dem U-Bahnbau. Es ist eine schweißtreibende Angelegenheit, denn die Hänge der künstlich aufgeschütteten Erhöhung fallen zu allen Seiten steil ab. Leider hat die Fernsicht gelitten, seit die zarten Bäumchen von einst zu einem respektablen Wald herangewachsen sind. Nur mit etwas Glück lässt sich in Spätherbst und Winter noch ein Blick auf den Gasometer in Oberhausen oder andere Landmarken erhaschen. Damals lag einem noch das ganze nördliche Revier zu Füßen. Schade. Im Nordwesten wissen sie ihn dennoch zu schätzen, ihren Panzerbau.
Als die Städteplaner 1981 ein Auge auf das weitläufige Areal warfen, gingen Bürger für den Erhalt des Areals auf die Straße. Ein Jahr zuvor war das Gelände für vier Millionen D-Mark vom kruppschen in städtischen Besitz übergegangen. Die Werkhallen, die während des II. Weltkrieges hier in aller Schnelle hochgezogen worden waren, um Hitlers Armeen für den Feldzug im Osten mit moderner Waffentechnik zu versorgen, waren da längst geschliffen. Geblieben war nur Fundamente und Fußballfeld große Betonböden, in denen sich handbreite Schlitze auftaten, durch die wir Kinder in den 70er Jahren in die düstere Tiefe lugten.
Bis heute hält sich die Mär, dort unten stünden irgendwo noch sieben komplett montierte Tiger-Panzer, denn produziert wurden die Ungetüme aus Kruppstahl zu Kriegszeiten nicht nur über Tage in bis zu 210 Meter langen Fabrikhallen, auch unter Tage wurde in drei Werkräumen geschraubt und geschweißt.
Obwohl ja bekanntlich in jeder Legende ein wahrer Kern schlummert, hätte man nach besagten Panzern im Untergrund wohl vergebens gesucht. Denn im Borbecker Panzerbau waren nur Bauteile - Wannen und Panzertürme - gefertigt worden; fast jeder zweite, der daran mitwirkte, war Zwangsarbeiter. Zu Kampfmaschinen zusammengeschraubt wurden die Teile erst in den Henschel-Werken in Kassel; 1350 Tiger-Panzer rollten dort vom Band.
Die Panzerbau-Werkstätten in Borbeck wurden nach Kriegsende demontiert, die verbliebenen Hallen 1959 niedergelegt. Das Brachgelände blieb eine terra incognita, verlockend, weil gefährlich. Dass 1963 hier ein kleines Mädchen, die siebenjährige Christine Lochner, missbraucht und ermordet worden war, sollte sich tief ins Gedächtnis eingraben. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt.Über alles andere, was war am Panzerbau, ist längst Gras gewachsen.
Panzerbau in Borbeck