Essen. NRW-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann will die Latinums-Pflicht an den Unis weitestgehend abschaffen und damit die Lehramtsausbildung erleichtern. Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, hätte das langfristig womöglich auch Auswirkungen auf das Angebot der Schulen. Doch was sagen Essener Gymnasien zu der geplanten Reform?

Generationen von Schülern haben im Lateinunterricht Caesar gelesen und Sätze wie diesen gelernt: „Veni, vidi, vici – ich kam, sah und siegte.“ Geht es nach dem Willen von NRW-Bildungsministerin Sylvia Löhrmann, übrigens Absolventin der BMV-Schule, soll das für zahlreiche Studiengänge künftig nicht mehr nötig sein.

Die bisherige Latinums-Pflicht soll in klassischen Lehramts-Fächern wie Englisch, Französisch oder Spanisch abgeschafft oder im Falle von Geschichte und Theologie zumindest gelockert werden – langfristig hätte das womöglich auch Auswirkungen auf das Angebot der Schulen. Die NRZ hat daher an einigen Gymnasien nachgefragt.

Eine unnötige Hürde

Klare Worte findet etwa Gabriele von Heymann, Schulleiterin am Gymnasium Überruhr: „Ich bin 100-prozentig für die Streichung. Die Latinums-Pflicht ist eine unnötige Hürde und einfach nicht mehr zeitgemäß“, so die Direktorin, die mit Französisch und Russisch zwei moderne Fremdsprachen unterrichtet.

Ihrer Meinung nach sind unsere Nachbarländer in der Latein-Frage moderner eingestellt, denn da gehe es an den Unis schließlich auch ohne Zwang. Dem Fach werde zwar nachgesagt, es helfe den Schülern, andere Sprachen einfacher zu erlernen, Gabriele von Heymann aber meint: „Besser direkt eine weitere lebendige Sprache belegen.“ Latein sei kein schlechtes Fach, aber es sei wichtig, dass Schüler es aus freien Stücken wählten und nicht etwa aus Angst, später ein bestimmtes Fach nicht studieren zu können.

Lateinkurs an der Uni dauert drei Semester

Denn Studierende, die Latein erst an der Hochschule belegen, geraten dadurch häufig in Zeitnot. Drei Semester dauert der Latein-Kurs an der Uni Duisburg-Essen durchschnittlich – einfach ist die Prüfung nicht. Auch die Studienberatungsstelle bestätigt den enormen Zeitaufwand.

Olaf Millmann, stellvertretender Schulleiter am Burggymnasium glaubt nicht, dass Schüler in der 5. oder 6. Klasse bereits an ihre Studienzeit denken. Ob das Latinum wirklich für bestimmte Studiengänge nötig sei, hält auch er für fraglich, fest steht allerdings, dass sich drei Viertel seiner Schüler für Latein als zweite Fremdsprache entscheiden. „Wir haben bei uns sehr gute Erfahrungen gemacht. Die lateinische Sprache hilft den Schülern, analytisch zu denken und strukturiert zu arbeiten“, so Millmann, der selbst Latein unterrichtet. Der Pädagoge glaubt nicht, dass sich das Wahlverhalten der Schüler in Zukunft ändern wird. Schon häufiger sei über den Sinn und Zweck von Latein diskutiert worden, dennoch sei das Fach populär und längst nicht mehr so, wie man es noch vor 20 oder 30 Jahren unterrichtet habe: „Die Angleichung an die modernen Fremdsprachen ist hoch und der Unterricht spielerisch-interaktiv.“

Teil der gymnasialen Ausbildung

Dass Latein auch an der Uni seine Berechtigung hat, dass glaubt Markus Ueberholz, stellvertretender Direx am Maria-Wächtler-Gymnasium: „Bildung wird in manchen Bundesländern anders gesehen.“ Ein Abiturient aus NRW müsste etwa in Bayern womöglich auch künftig das Latinum vorweisen und stünde dann mit leeren Händen da. „Das ist natürlich meine persönliche Meinung, aber ich finde, Latein ist irgendwie auch Teil der gymnasialen Ausbildung. Nicht, weil man es unbedingt im Alltag braucht, sondern vielmehr für das gesamte Bildungs-Rüstzeug – dafür steht ja auch die Allgemeine Hochschulreife.“

An der katholischen BMV in Holsterhausen hat Latein traditionell einen hohen Stellenwert. Rund 70 Prozent der Schüler belegen Latein, wie Schwester Ulrike berichtet. Die BMV-Direktorin finde die Pläne der Ministerin schwierig – zu sagen, das Latein nicht mehr gebraucht werde, sei ihrer Meinung nach zu kurz gedacht und stehe wohl eher im Zusammenhang mit der Lehramtsausbildung.

Gute Noten oft schwierig

Jennifer Küppers ist erst seit einem Jahr Lateinlehrerin am Helmholtz-Gymnasium und kennt daher die aktuelle Situation an den Hochschulen. Auch sie ist unglücklich über die Vorschläge aus Düsseldorf. Ihrer Meinung nach werden viele Eltern ihren Kindern künftig raten, doch lieber Spanisch oder Französisch zu lernen, statt sich mit Latein herumzuschlagen, wo gute Noten nicht unbedingt vom Himmel fallen.

„Während meiner Studienzeit habe ich vielen Anglistik-Studenten Nachhilfe bei ihren Latein-Seminaren gegeben. Die haben oftmals erst dann verstanden, warum Grammatik so und so funktioniert – auch im Deutschen.“ Sie verstehe den Reform-Ansatz und man könne immer alles kürzen, „aber Latein auf diese Weise zu schwächen, ist keine gute Idee“.