Essen. Eine behinderte Frau aus Rostock hat in Essen mehrfach fünf Euro extra für die Mitnahme ihres Rollstuhls im Taxi bezahlt. Einer der angeprangerten Taxi-Unternehmer bedauert dies. Er sagt: „Hier liegt ein Fehlverhalten meines Fahrers vor, für das ich mich entschuldige“.

Der Bericht über die verbotene Fünf-Euro-Extragebühr für Taxifahrten der Rollstuhlfahrerin Cleonice Anders hat ein lebhaftes Echo gefunden. Es reicht von Empörung bei Lesern und ähnlich Betroffenen bis hin zu Kopfschütteln in der Branche.

Eines der angeprangerten Unternehmen hat den Vorfall jetzt bedauert. „Hier liegt ein Fehlverhalten meines Fahrers vor, für das ich mich aufrichtig entschuldige“, sagt der Unternehmer der WAZ. Und fügt klarstellend hinzu: „Dahinter steckt weder Boshaftigkeit noch Abzocke, es war ein Einzelfall.“

Die Angelegenheit wurme ihn umso mehr, als er doch das Service-Prinzip seit jeher groß schreibe. „Wenn Fahrgäste Einkäufe dabei haben, tragen unsere Fahrer die Taschen selbstverständlich bis in die zweite Etage.“

Strenger Verhaltenskodex

Die Rechtslage ist eindeutig. Hilfsmittel - egal, ob Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl - müssen im Taxi ohne Aufschlag transportiert werden. So schreibt es Paragraf 3 Absatz 4 der Taxigebührenordnung vor. Wer dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Eine, für die im konkreten Fall wohl der Taxifahrer den Kopf hinhalten muss. „Das ist seine Sache“, sagt der Unternehmer.

Die Kritik an der verbotenen Zusatzgebühr für Rollstuhlfahrer trifft den Lebensnerv der gesamten Branche, die sich als Dienstleister versteht. Und so beeilt sich Taxi-Essen-Geschäftsführer Albert Mertes, sich von solchen rufschädigenden Praktiken zu distanzieren. Mertes, ein Mann mit aufbrausendem Naturell, steht an der Spitze des größten Taxianbieters der Stadt. Er verweist auf den strengen Verhaltenskodex seiner Genossenschaft und zeigt in der Zentrale in der Bottroper Straße auf den mit Schulungsmaterial gefüllten weißen Aktenordner, als sei er eine Bibel. „Wer sich nicht dran hält, den belegen wir mit einer Geldbuße.“

Zu viele Taxis in Essen - eine Branche unter Druck

Der Kuchen, den sich Essens Taxifirmen teilen müssen, ist zu groß. Daher wird die Stadt die Zahl der Konzessionen von 560 auf 530 senken. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren waren in Essen noch 621 Taxis unterwegs.

Viele Firmen fahren am Rande des Existenzminimums und irgendwann in die Pleite. Taxi-Essen-Geschäftsführer Albert Mertes schätzt, dass 92 Prozent aller Taxis fremdfinanziert sind. Weniger Konzessionen seien richtig.

Schlechterer Service durch Dumping

Ralf Schutz ist Geschäftsleiter von Taxi Vosswinkel, das mit 20 Taxen und Mietwagen ein vergleichsweise kleiner Anbieter, aber in Borbeck mit „95 Prozent Stammkundschaft“ Platzhirsch ist. Eine Zusatzgebühr für Rollstuhlfahrer nennt er eine „Sauerei“ und ergänzt: „Wir fahren in der Woche größtenteils alte und kranke Menschen, egal ob mit Rollator oder Rollstuhl; das ist Service und davon leben wir.“

Je mehr man in die fahrende Zunft hineinhört, desto deutlicher vernehmbar sind Klagen darüber, wie schwer es sei, sich über Wasser zu halten. Insbesondere der Kostendruck der Krankenkassen bei Patientenfahrten sei kolossal. So manche Taxifirma, heißt es, beuge sich der Rotstiftpolitik und mache beim Dumping mit. Folge: Der Service bleibe auf der Strecke.