Essen. Die Tanzschule Overrath, seit Mitte der 1960er Jahre am Stadtgarten beheimatet, feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Die heutigen Leiter Monica und Franz-Josef Overrath führen das Unternehmen in dritter Generation und sind mit großer Leidenschaft dabei. Dank der TV-Show „Let’s dance“ und dem Trend zu Abibällen haben sie großen Zulauf.

„Lang – Lang – Seit – Schluss – denken Sie daran, meine Herren, dass Sie die Damen auf den Punkt stoppen.“ Quickstepp ist gerade angesagt in der Tanzschule Overrath und acht Paare bewegen sich - manche leichtfüßig, andere noch etwas steifbeinig - über das knarzende Parkett. Die knackig-kurzen Tanzkommandos kommen aus der kleinen, mit schimmernden CDs beklebten „Plattenkanzel“ in der Ecke des großen Saals: Dort ist Monica Overrath in ihrem Element. Seit 1985 unterrichtet sie gemeinsam mit ihrem Mann Franz-Josef alle Tänze dieser Welt – vom Disco-Fox bis zum Salsa.

„Das Schönste an unserem Beruf ist, dass alle Menschen, die zu uns kommen, das nicht nur freiwillig tun, sondern meistens auch viel Spaß daran haben“, erklärt Franz-Josef Overrath seine ungebrochene Leidenschaft für den Tanzunterricht. Dabei gehe es ihm nicht nur um die perfekte Schrittfolge: Tanzen sei vor allen Dingen Ausdruck von Lebensfreude, lautet seine Devise. Der 62-jährige Tanzlehrer und Ausbilder gehört zur dritten Generation der „Tanzdynastie“ Overrath und feiert in diesem Monat das 100-jährige Bestehen der Tanzschule mit einem großen Fest.

"Tanzen ist gut gegen Demenz"

Von den 100 Jahren schwingt das Ehepaar Weber schon seit 48 Jahren Woche für Woche das Tanzbein in der Schule am Stadtgarten. 81 ist der hochgewachsene Hans Weber, der sich, wie jeden Mittwochabend, für den Tanzclub schick gemacht hat: In Krawatte, Sakko und Anzughose zeigt er gemeinsam mit Ehefrau Christel (79), wie ein perfekter Cha Cha Cha aussieht. „Der alte Herr Overrath legte großen Wert auf Etikette. Ohne Krawatte kam keiner in seine Tanzschule“, erzählt Hans Weber ein wenig wehmütig. Einen Tanz später schweben die Schäfers am Ehepaar Weber vorbei. Den Slow Fox beherrschen Rudolf und Brigitte Schäfer im Schlaf. Auch sie gehören zur großen Overrath-Familie, sind aber „erst“ seit 41 Jahren dabei. Ein befreundetes Ehepaar hatte sie damals zu einem Kurs überredet, „das war die beste Entscheidung unseres Lebens“, sagt Brigitte Schäfer (83).

„Tanzen hält jung und ist nachweislich gut gegen Demenz“, ergänzt Rudolf Schäfer (84). Aber, und das sei noch viel wichtiger: Im Laufe der Jahrzehnte seien viele gute Freundschaften entstanden. „Auf unsere Stammtänzer sind wir besonders stolz. Ihre Verbundenheit und Treue ist ein großes Kompliment für uns“, sagt Monica Overrath und erzählt von den alten Zeiten, als vor allem Teenager in die Tanzschule stürmten. „Bis in die 1980er Jahre gehörte es zum Erwachsenwerden dazu.“ Dann kam der Einbruch, Overraths mussten sich neu orientieren. „Plötzlich kamen viele ältere Paare, die den Gesellschaftstanz für sich entdeckten.“

Wenig Freizeit für die Overraths

Einen neuen Tanzboom entfachte schließlich die TV-Show „Let’s dance“ und der aus den USA herüber schwappende Trend zum Abi-ball und zur aufwendigen Hochzeitsfeier. „Viele zukünftige Eheleute nehmen für ihr Fest Privatstunden bei uns“, so Overrath.

Apropos Privatstunden: Zeit für sich hat das Ehepaar Overrath eher selten. Denn ihr Beruf umfasst täglich mehr als acht Stunden, kennt keine Wochenenden und lässt ihnen nur wenig freie Zeit für Urlaub. Den verbringen sie meist an den oberitalienischen Seen, wo sie nicht nur entspannen, sondern auch das tun, was sie am liebsten machen: tanzen.