Essen. Beim Parteitag der Essener SPD wurde Reinhard Paß nicht einmal offiziell begrüßt, wie es bei solchen Anlässen guter Brauch ist. Das Zerwürfnis um den Wahltermin wurde offiziell beschwiegen, brodelte aber am Rande des Partei-Treffens bei vielen Gesprächen.

Wie alle auf Gleichschritt angelegte Gruppen können Parteien grausam sein, wenn einer aus der Reihe schert. Das bekam Oberbürgermeister Reinhard Paß zu spüren, als er am Samstag vormittag beim Parteitag der Essener SPD in der Messe eintraf. Es gibt einen guten Brauch, gerade bei der so staatsstolzen SPD: Wenn das sozialdemokratische Stadtoberhaupt zum Parteitag kommt, dann wird es respektvoll begrüßt. Und zwar nicht beiläufig, sondern offiziell vom Rednerpult, typischerweise vom Parteivorsitzenden, mindestens aber vom Sitzungsleiter, in diesem Fall NRW-Justizminister Thomas Kutschaty aus Borbeck. Die Begrüßung blieb aus, der OB war quasi Luft für den Parteitag, sieht man ab von einigen Gesprächen, die Paß am Rande mit einigen, ihm halbwegs gewogenen Delegierten führte. Deutlich wurde so, wie gründlich das Tischtuch zwischen OB und SPD zerschnitten ist, seit Paß sich weigerte, seine Amtszeit zu verkürzen und schon bei der Kommunalwahl im Mai 2014 erneut anzutreten. „Essener SPD eben“, seufzte einer, den man dem überschaubaren Paß-Lager zurechnen darf.

Paß beteuert, er habe nie etwas anderes gesagt als das, was er jetzt durchzieht - nämlich sich erst im September 2015 zur Wahl zu stellen. Das sehen andere anders. Parteichef Dieter Hilser, Fraktionschef Rainer Marschan, aber auch Essener SPD-Granden aus der Landespolitik werfen dem OB vor, in den letzten Wochen in vielen Gesprächen andere Signale gesetzt zu haben, um dann plötzlich und überraschend wieder umgeschwenkt zu sein - per SMS an Hilser. Wenn es denn so war - und vorstellbar ist es allemal -, dann soll nicht zuletzt dieses als unpersönlich empfundene Vorgehen Hilser schwer verbittert haben.

Offene Wort ist ist selten

Nun könnte man annehmen, dass die aktuelle und ohnehin längst öffentliche Zerrüttung doch ein ideales Thema für eine offene Aussprache beim Parteitag hätte sein können. Paß hätte darlegen können, warum er seine erste Amtszeit ausschöpft, Hilser und andere dann ausgeführt, weshalb ein gemeinsamer Wahlkampf praktikabler und erfolgversprechender wäre. Parteien funktionieren aber anders, das offene Wort auf offener Bühne ist selten. Und auch am Samstag hörten die 149 Delegierten dann ersatzweise Diskussionen etwa über die Frage, ob ein Lesebuch zur Geschichte der Essener SPD Not tut. Sollte es geben befand der Parteitag.

Gewählt wurde auch, und zwar die Rat- und Bezirksvertretungskadidaten für die Kommunalwahl. Sowohl die von den Ortsvereinen vorgenommenen Nominierungen als auch die Rats-Reserveliste fanden Zustimmung. Geklärt hat der Parteitag einen einzigen strittigen Fall aus dem Ortsverein Bergeborbeck/Bochold: Mit überwältigender Mehrheit von 120 zu 18 Stimmen setzte sich Ratsherr Michael Stelzer gegen seine Gegenkandidatin Heidi Splitt durch.