Essen. Die SPD-Bundestagsabgeordneten fordern einen „Rettungspakets für das Ruhrgebiet“ in den Koalitionsverhandlungen. Die SPD-Ratsfraktion unterstützt Idee – und auch der Kämmerer.

Es soll ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk der sich anbahnenden großen Koalition werden, so wünschen es sich zumindest die SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Revier. Sie machen sich bei ihrem Frakti­onschef Frank-Walter Steinmeier für ein Maßnahmenpaket zur Stärkung des Ruhrgebiets stark, wie es die lokalen Genossen betiteln. „Nach der Hilfe des Landes mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen brauchen wir nun dringend Hilfe vom Bund“, fordert auch Rainer Marschan, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion. Insbesondere müsste die Stadt bei den Sozialkosten entlastet werden, das Weiterfinanzieren der Schulsozialarbeit sowie des Programms Soziale Stadt seien dringend notwendig, dazu ein Infrastrukturprogramm. „Bei den Koalitions-verhandlungen muss es deutliche Signale zur Entlastung der notleidenden Städte geben. Dafür brauchen wir ein Bündel aus Maßnahmen, die Wirkung für die Menschen in unserer Region entfalten.“

Einer, der sich bestens mit den Finanzen einer solchen „notleidenden Stadt“ auskennt, ist Stadtkämmerer Lars Martin Klieve (CDU). Er kann der Idee eines solchen Maßnahmenpaketes Gutes abgewinnen – wenn die Spielregen stimmen: Frisches Geld sei stets willkommen, „auf der anderen Seite ist es falsch, wenn es nicht dort ankommt, wo die Hilfe notwendig ist“, sagt Klieve. Noch sei ein solches Paket zu abstrakt, „um abschätzen zu können, ob es am Ende eher gut oder schlecht ist“. Es müsse, wie bereits der NRW-Stärkungspakt, Anreize bieten, es als Kommune aus ei­gener Kraft aus der Mi­se­re zu schaffen.

"Bund könnte zielscharf den Kommunen helfen"

Klieve: „Die Städte müssen ihre eigenen Anstrengungen ausschöpfen, daher sind an den Stärkungspakt zu Recht Sanktionen geknüpft.“ Wenn es zum Beispiel notwendig sei, fünf Millionen Euro im Haushalt einzusparen, um weitere 15 Millionen Euro für bestimmte Zwecke zu erhalten, „dann macht es den Verantwortlichen Mut, in ihren Gremien die Beschlüsse zu fassen.“ Zu große Wünsche an ein Stärkungspaket des Bundes, will Klieve gar nicht formulieren – bis auf einen: Es geht um die Unterkunftskosten, etwa für Hartz IV-Em­pfänger. „Davon zahlt der Bund ge­genwärtig ein Drittel, könnte es aber durch ein einfaches Gesetz auf rund 50 Prozent anheben. Das hielte ich für eine segensreiche Maßnahme. Da könnte der Bund zielscharf den Kommunen helfen, die es am Nötigsten haben“, so Klieve.

„Erstmal nee“ zu einem Maßnahmenpaket sagt hingegen Hans-Peter Schöneweiß, Chef der Essener FDP-Fraktion. Er stellt die Koch-Kellner-Frage:„Mir wär’s am liebsten, wenn Bund und Land jeweils das bezahlen würden, was sie bestellt haben.“ Es nütze nichts, Gesetze zu erlassen, deren Kosten am Ende höher als die Zuschüsse sind, die die Kommunen erhalten. „Wir zahlen drauf – etwa bei der Betreuung Unter-Dreijähriger. Wir bekommen hohe Zuschüsse bei den Baukosten, die fürs Personal bleiben jedoch bei der Stadt hängen.“ Schöneweiß schlägt vor, lieber die Pro-Kopf-Zuteilung des Landes zu ändern – zu Gunsten der Ruhrstadt. Essen halte schließlich eine In­frastruktur vor, die auch von Bürgern der Nachbarstädte genutzt werde, etwa im kulturellen Bereich. „Außerdem haben wir eine größeren Anteil an Hartz-IV-Beziehern als etwa Mettmann“, betont Schöneweiß.

"Maßnahmenpaket zur Stärkung des Ruhrgebiets"

Dennoch: Rainer Marschan ist davon überzeugt, dass das gesamte Land von einem „Maßnahmenpaket zur Stärkung des Ruhrgebiets“ profitieren wird, wenn es den Kommunen im Revier, dem größten Ballungsraum Deutschlands und einer der größten Metropolregionen Europas, finanziell besser geht. „Wir haben enormes Potenzial. Der Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet ist sehr attraktiv. Er ist aber im Besonderen von Arbeitsplatzverlusten im Zuge der Energiewende und anderer Entwicklungen betroffen, die nicht im Einfluss der hiesigen Kommunen liegen“, so Essens SPD-Fraktionschef. Die fünf Millionen Menschen in den Ruhrgebietsstädten hätten es verdient, dass man ihnen besondere Unterstützung zukommen lässt, damit deren Lebenssituation nicht hinter der in anderen Regionen zurückbleibt.

Gleichzeitig macht Essens SPD-Fraktion deutlich, dass die Kommunen im Ruhrgebiet auch in ihren eigenen Anstrengungen, die Haushalte zu konsolidieren, nicht nachlassen dürften. „Es bleibt aber ein Irrglaube, dass wir uns am eigenen Schopfe aus dem Schlamassel ziehen könnten. Die rot-grüne Landesregierung hat das zum Glück erkannt und ein Hilfsprogramm aufgelegt. Dies sollte jetzt durch Maßnahmen des Bundes gestützt werden“, so Marschan weiter.