Essen. 53 Einbrüche in Essen - das ist die Bilanz allein eines Wochenendes. In Essen-Kettwig bezahlt eine Nachbarschaft seit Jahren einen Sicherheitsdienst und hat Täter so offenbar abgeschreckt. Inzwischen gibt es Wachdienste in weiteren Stadtteilen und mehr Anfragen.
Als traurigen Höhepunkt beschreibt die Polizei die Einbruchszahlen vom vergangenen Wochenende: Es gab 53 Einbrüche und Einbruchsversuche. Ob die Haustür an der Straßenseite, die Terrassentür im Garten, das Badezimmerfenster oder Fenster in den Obergeschossen, wo akrobatische Einbrecher an der Regenrinne hoch hangelten: Die professionell vorgehenden Einbrecher hatten die Schwachstellen schnell erkannt und schlugen zu. Obwohl aufmerksame Anwohner in einigen Fällen gleich die Polizei riefen, konnten die Täter flüchten.
Ein Szenario, das Max Voormann (79) nur zu gut kennt. Damals in den 1990er Jahren war die Unsicherheit der Nachbarn in Kettwig ein riesiges Thema: „Hier war der Teufel los, und viele hatten Angst.“ Es habe im Umkreis von gut einem Kilometer bis zu 50 Einbrüche im Jahr gegeben. Gleich gegenüber im Haus verschwanden die Täter mit Bildern und Brücken. Eine Nachbarin wurde mit einer Waffe bedroht. Max Voormann handelte, trommelte 130 Anwohner zusammen, die einen Sicherheitsdienst engagierten. „Die Polizei kann nicht überall sein“, sagt er ganz ohne Vorwürfe. Genau diese Lücke wollten sie aber schließen und waren bereit, für ihre Sicherheit auch selbst zu sorgen und zu zahlen.
Sicherheitsdienste patroullieren zu unregelmäßigen Zeiten
„Wir helfen uns selbst“, sagt Voormann. Diese Hilfe kostet sie jeweils 62 Euro im Monat. Bis heute machen 76 Anwohner mit, so dass der Sicherheitsdienst nun weniger Stunden vor Ort ist, aber immer noch täglich zu unregelmäßigen Zeiten. Um möglichst viele Nachbarn zu gewinnen, wirbt Voormann immer wieder mit Schreiben, in denen er die Argumente für die Profi-Patrouille aufführt. Mit einem Generationenwechsel im Viertel seien es eben weniger geworden, sagt er. „Dabei profitieren von unserem Engagement auch angrenzende Straßen“, sagt Voormann.
Wachsendes Sicherheitsbedürfnis vieler Bürger
Weitere Sicherheitsfirmen sind bereits in Stadtteilen unterwegs. Die Firma Issa etwa hat aktuell eine Anfrage aus Heisingen.
Unter dem Namen Kötter Security-Wohngebietssicherung „gehört dieses Angebot seit mehr als fünf Jahren zu unserem Leistungsspektrum und resultierte bereits zum damaligen Zeitpunkt aus dem wachsenden Sicherheitsbedürfnis vieler Bürger, sagt Sprecher Carsten Gronwald.
Die Ziele, sagt er, seien Prävention, die Abschreckung potenzieller Täter, durch regelmäßige Kontrollen sowie die Überprüfung des Gebiets auf mögliche Unregelmäßigkeiten, wenn erforderlich benachrichtigen sie auch die Polizei.
Für eine größtmögliche Sicherheit glaubt er an die Kombination aus Polizei, Technik, Nachbarn und eben auch Sicherheitsleuten. „Die Observation hat höchste Priorität, auch wenn es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt“, sagt Voormann aus Erfahrung. „Es ist wichtig, dem Einbrecher das Gefühl zu geben, dass er beobachtet wird.“
Seit sieben Jahren übernimmt diese Beobachtung Daniela Welslau von der Sicherheitsfirma Condor, die mit ihrem Hund durchs Schmachtenbergviertel läuft und fährt. Wohngebietssicherung heißt ihr Auftrag. „Ich weiß, wie die Vorgärten aussehen, kenne die Nachbarn und deren Fahrzeuge“, sagt die Wachfrau. Das heißt im Umkehrschluss: Ihr fällt sofort auf, wenn abends noch ein Garagentor aufsteht, wenn ein Fenster offen ist, „das um die Uhrzeit nie geöffnet ist“. Dann klingelt sie an, fragt nach, ob alles in Ordnung ist. Schleichen Fremde durch die Gärten, spricht sie diese an.
"Wir haben es geschafft"
Beobachtet sie eine mögliche Straftat, hat sie die gleichen Rechte wie jedermann, kann also den Täter festhalten. „Dann rufe ich die Polizei“, sagt sie und lobt die Zusammenarbeit. Max Voormann fände es noch besser, wenn die Polizei bei ihrer Präventionsarbeit zumindest auf die Möglichkeit eines Sicherheitsdienstes hinweisen würde. Denn mit dem hätten sie erreicht, „dass die Zahl der Einbrüche gegen null geht“, sagt er. Der letzte Einbruch, an den er sich sehr genau erinnert, war im Jahr 2002. Es war sein eigenes Haus, in das sich ein Täter durchs Klofenster quetschte. Im Schlafzimmer kramte er den Hausschlüssel aus einer Hosentasche, um die Komplizen hineinzulassen. „Meine Frau und ich schliefen etwa zwei Meter von dem Einbrecher entfernt“, sagt Max Voormann.
Es war vor allem seine Frau, die in der Zeit danach sehr verunsichert war. Lange wurden sie dieses Gefühl nicht los, dass da Fremde in ihrem zu Hause eingedrungen sind. Heute herrscht Ruhe, und Max Voormann sagt: „Wir haben es geschafft.“
Die Nachfrage bei Wachdiensten steigt in Essen
Mit dem extremen Anstieg der Einbrüche in den vergangenen Jahren steigt die Nachfrage der Bürger bei Sicherheitsfirmen. Condor etwa ist ebenfalls in Huttrop für 34 Mitglieder und in Haarzopf für 23 unterwegs. Mitglieder sind zahlende Nachbarn, deren Anteil zwischen 35 und 80 Euro im Monat liegt.
Finden sich nicht ausreichend Anwohner, so sind Revierfahrten möglich, sagt Udo Brockhagen, Sicherheitsberater bei Condor. Die gibt es etwa in Bredeney und Heisingen, wo die Wachleute nachts mehrfach sporadisch durchfahren. „Aufmerksame Nachbarn habe heute längst nicht jeder“, sagt Brockhagen, es herrsche mitunter Gleichgültigkeit.
Was die Sicherheitsleute nicht wollen, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Stephan Toussaint: „Wir haben nicht den Anspruch, die Polizei zu sein. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz.“ Was sie machen, sei vielmehr eine vorbeugende Tätigkeit. Sie meldeten zudem jeden Fall an die Polizei.
„Über die Zusammenarbeit sind wir froh“, sagt Polizei-Sprecher Peter Elke, stellt aber klar: „Grundsätzlich ist die Polizei der Garant für die öffentliche Sicherheit.“ Er weist darauf hin, dass Anwohner, die etwas beobachten, nicht zögern sollen, die 110 zu wählen.