Essen. Die Uraufführung von Tariq Alis „Die neuen Abenteuer des Don Quijote“ realisiert Regisseur Jean-Claude Berutti als politische Revue im Grillo-Theater. Premiere feiert die Inszenierung am Freitag, 1. November.

Er las Cervantes „Don Quijote“ schon als Kind. „Ich wurde in eine französisch-italienische Lehrerfamilie geboren“, erklärt Jean-Claude Berutti mit gehobenen Augenbrauen den Umstand, früh ein Stück Weltliteratur in den Händen gehalten zu haben. „Ich erinnere mich genau. Es war eine bebilderte Ausgabe des Romans. Damals verstand ich diese Melancholie nicht, warum er ,Ritter von der traurigen Gestalt’ genannt wurde.“ Und auch nicht, dass vor rund 400 Jahren die Suche des wahnhaften Herrn und seines treuen Gefährten nach Liebe und Gerechtigkeit als Kritik an geistesvernebelnde Ritterromane gedacht war.

In unendlichen Variationen wurde das Werk interpretiert, seziert, auf Bühne und Leinwand gebracht, wurde tief im kollektiven Gedächtnis verankert und jetzt von dem 1943 im heutigen Pakistan geborenen Autor und Filmemacher Tariq Ali weitergedacht. Für das Schauspiel Essen hat der radikale Sozialist, Emigrant und Grenzgänger zwischen westlicher und arabischer Welt den alten Helden auf eine neue, sehr politisch geprägte Reise geschickt. Jean-Claude Berutti, der erstmals in Essen inszeniert, war beim Lesen begeistert: „Ich fand es hoch aufregend.“ Zum einen, weil er sich als reisender Regisseur, „persönlich angesprochen fühlte“, zum anderen, weil es ihn reizte, Europa kritisch und nicht zu ernst zu betrachten: „Wir brauchen fröhliche Kritik.“

Don Quijote ist nicht mehr so verrückt wie einst

Einfach war die Auseinandersetzung nicht. Die Bearbeitung von Alis Text dauerte ein halbes Jahr. „Tariq Ali ist ein gebildeter Mann und Gentleman. Er beherrscht die Kunst des Erzählens und hat einen feinen Humor. All das steckt in dem Stück drin. Aber es waren zu viele Worte und nicht erklärte Bilder. Ihm sind die Erfordernisse des Theaters nicht so vertraut“, berichtet Berutti, der in enger Absprache mit dem Autor Szenen strich und änderte.

Dennoch finden sich Verweise auf Dichter wie Nâzım Hikmet und Jean-Paul Sartre, ist es inspiriert von Voltaires und Jonathan Swifts Literatur der Aufklärung - und bleibt selbst ohne Hintergrundwissen „leicht zu verstehen“. Ein alter Typ, der kein Zuhause, dafür einen festen Standpunkt und Überzeugungsdrang hat, geht bei Berutti auf Reisen. Er startet mit Sancho Panza und zwei klugen Tieren in einem rumänischen Dorf. Es zieht ihn in die Zentralbank in Brüssel, in ein Café in Paris, über eine deutsche Autobahn, in ein Militärkrankenhaus, in ein utopisches Land und bis nach Somalia.

Er trifft eine Roma und Rassisten, einen Dichter und Soldaten, Homosexuelle und Piraten. Wir sind in der heutigen Welt zwischen Kapitalismus und Krieg angekommen. Die Zeit der Windmühlen ist passé und Don Quijote nicht mehr so verrückt wie einst. Er redet nun, bevor er kämpft. Vielleicht auch, weil seine weibliche Seite, verkörpert von Silvia Weiskopf, hinter der Rüstung zu Tage tritt.

Die Suche nach Liebe und Gerechtigkeit

„Das Stück hat alle Zutaten einer politischen Revue. Ich habe versucht, das auf jede Art und Weise zu nutzen“, sagt er über seine Inszenierung, die in einem internationalen künstlerischen Team entstanden ist. So folgt Bild auf Bild mit Musik, Gesang und Choreografie. Alles scheint neu und ist es doch nicht ganz: „Eines ist geblieben wie im Original“, betont der 61-Jährige. „Es ist die Suche nach Liebe und Gerechtigkeit.“

Die Premiere ist am Freitag, 1. November, im Grillo-Theater. Karten/ Termine: 0201/ 8122 200