Essen. Die SPD-Fraktion im Essener Rat möchte die Nachbarschaftshilfe zu neuem Leben erwecken. So sollen Kriminalität, Verschmutzungen und Vandalismus in den Stadtteilen vermindert werden. Aber wie genau? Gewalt- und Ordnungsprobleme, meinen die Sozialdemokraten, ließen sich nicht allein durch eine stärkere Präsenz von Ordnungskräften lösen.
Auf den ersten Blick klingt die Idee bestechend: Wachsame Nachbarn sollen im Stadtteil für mehr Sicherheit und Sauberkeit sorgen. Einen entsprechenden Antrag zur „sozialraumorientierten Kriminalprävention“ will die SPD am Mittwoch im Ordnungsausschuss einbringen.
„Wohnungseinbrüche nehmen zu, alte Frauen werden überfallen, Betrüger zocken Senioren ab. Das ist trauriger Alltag, doch manches könnte vielleicht verhindert werden, wenn die Nachbarn mehr auf einander achten würden“, mutmaßt SPD-Ratsherr Harald Hoppensack, der den Ordnungsausschuss leitet. Leider sei die Nachbarschaftshilfe mancherorts Anonymität, Vereinzelung „oder sogar sozialer Kälte“ zum Opfer gefallen.
Doppelstreifen können nicht überall sein
Nun wolle man die Bürger wieder stärker einbinden und auch mit Polizei, Wohngesellschaften, Vereinen oder Religionsgemeinschaften sprechen. „Es geht darum, den Bürgern ein starkes Helfer-Netzwerk an die Seite zu stellen, damit sie gemeinsam etwas für den Stadtteil bewegen können“, sagt der ordnungspolitische Sprecher der SPD, Udo Karnath.
Wie die Bürgerbeteiligung aussehen könne, solle die Verwaltung erarbeiten. Man denke weder an Bürgerwehren noch an Stadtteil-Sheriffs, „natürlich sollen die Leute keinerlei hoheitliche Aufgaben haben“, betont SPD-Fraktionschef Rainer Marschan. Sie sollten nur die Augen offen halten und mögliche Missstände an Polizei oder Verwaltung melden. „Gewalt- und Kriminalitätsprobleme wie auch Verschmutzungen und Vandalismus lassen sich nicht allein durch eine stärkere Präsenz von Ordnungskräften lösen“, so Karnath. Und die Doppelstreifen von Polizei und Ordnungsamt könnten nicht überall sein, assistiert Hoppensack.
Bereits gute Erfahrungen gemacht
Das klingt beinahe, als lasse sich der Personalmangel bei hauptberuflichen Ordnungshütern durch Ehrenamtliche ausgleichen – zum Nulltarif. Entsprechend skeptisch ist etwa FDP-Fraktionschef Hans Peter Schöneweiß, der nicht nur im Ordnungsausschuss sitzt, sondern auch Polizist ist. Gewiss rate auch die Polizei, zum Schutz vor Einbrechern ein Auge auf das Wohnumfeld zu haben, und er erinnere sich an den Aufkleber: „Vorsicht, wachsamer Nachbar“, wie aber solle die Verwaltung solche Wachsamkeit anstoßen? „Aber ich warte ab, wie der genaue Antragstext aussieht.“
Harald Hoppensack verweist darauf, dass Bremen und Köln hierzu schon gute Erfahrungen gesammelt hätten. So weit muss man aber gar nicht gehen: Auch das Aktionsbündnis sicheres Altenessen verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Allerdings sind hier viele Profis von Polizei bis Jugendamt fest eingebunden – zum Nulltarif gibt es sowas nicht.