Essen. Im Schnellverfahren hat das Essener Amtsgericht am Dienstag eine junge Rumänin zu sechs Monaten Haft wegen eines Ladendiebstahls verurteilt. In der Galeria Kaufhof hatte sie 28 Sonnenbrillen für rund 3700 Euro gestohlen – und das nicht mal 24 Stunden zuvor.

Langsame Justiz? Am Dienstag verurteilte der Essener Amtsrichter Niklas Nowatius eine 23 Jahre alte Ladendiebin aus Rumänien zu sechs Monaten Haft. Ohne Bewährung. Sie hatte nicht einmal 24 Stunden zuvor in der Galeria Kaufhof in der Essener City 28 Sonnenbrillen im Gesamtwert von rund 3700 Euro gestohlen.

Es ist der achte Fall im „beschleunigten Verfahren“, der in diesem Jahr vor dem Amtsgericht Essen verhandelt wird. Mit dieser Verfahrensart soll gesichert werden, dass Straftäter, gegen die kein Haftgrund besteht, sich auf jeden Fall vor Gericht verantworten müssen.

Beschleunigtes Verfahren

Die 23-jährige Rumänin ahnte wohl nichts von dieser Variante der deutschen Strafprozessordnung, als sie am Montag um 13 Uhr in der Galeria Kaufhof vor dem Sonnenbrillenstand sachkundig die Ware betrachtete. Ein bislang unbekannter Mann schirmte sie ab, als sie zügig 28 Sonnenbrillen, jeweils mehr als 100 Euro teuer, in ihre Handtasche packte. Dann schlenderten beide durch die Sicherheitskontrolle, ohne dass diese einen Pieps abgab. Ein Ladendetektiv hatte sie beobachtet und die Polizei informiert. Er lief ihnen hinterher und stellte sie am Burgplatz. Ihr Komplize entkam.

Den Diebstahl gesteht die 23-Jährige, den Namen des Mittäters will sie vor Gericht nicht nennen. Professionell war das Duo vorgegangen. Richter Nowatius prüft eingehend die asservierte Handtasche, die hinter dem Futter mit Alufolie ausgekleidet war. So empfing die Sicherheitskontrolle kein Signal von der Diebstahlsicherung an den Brillen. Von wem sie die Tasche bekommen habe, fragt er die Angeklagte. „Von einem Zigeuner.“ Der habe sie auch zum Diebstahl angehalten. Sie müsse bei ihm ihre Schulden zurückzahlen, weil sie in Deutschland „nicht genug Geld für meine Verpflegung gemacht habe“.

Studentin für Verwaltungsrecht

Sie sei erst kurz in Deutschland, erzählt sie, oft unter Tränen. In Bukarest sei sie Studentin „für öffentliches Verwaltungsrecht“. Sie sei nach Deutschland gekommen, um hier Arbeit zu finden. Zuhause in Rumänien sei sie allein. Der Dolmetscher übersetzt für sie, weil sie nicht Deutsch spricht: „Meine Mutter ist verstorben, und ich habe so gar niemanden.“

Ganz unbedarft ist sie nicht. Am 7. August wurde sie im Oberhausener Centro nach einem Ladendiebstahl mit einem Komplizen festgenommen und wieder entlassen. Ja, sagt sie, da habe sie auch geklaut. Dann sagt sie noch, dass die Ausländer, sie meint die Deutschen, eigentlich ok zu ihr waren. Die Rumänen dagegen „ziehen dich über den Tisch und wollen nur profitieren“.

Richter Nowatius nimmt ihr im Urteil ab, dass andere sie in ihrer wirtschaftlichen Not zum Diebstahl gedrängt hätten. Angesichts des hochprofessionellen Vorgehens und der fehlenden Perspektive in Deutschland gibt es keine Bewährung. Sie akzeptiert das Urteil, betont aber: „Ich habe keine kriminellen Gedanken.“