Essen. In einem Supermarkt in Essen-Kray gibt es eine Art Pranger: Anhand von Fotos sollen die Kassiererinnen erkennen, wer in dem Geschäft Hausverbot hat. Doch auch die Kunden können die Bilder von den erwischten Ladendieben sehen. Datenschützer stehen der Selbstjustiz-Aktion skeptisch gegenüber.

Mittelalter

Man kann Supermarktleiter Stefan Findorff verstehen: Diebe karren vollgeladene Einkaufswagen aus seinem Geschäft, erwischte Täter zeigen weder Reue noch Scham, kehren vielmehr umgehend an den Tatort zurück – um erneut zuzugreifen.

Die Arbeit von Polizei und Gericht erscheint Findorff wirkungslos; und mit der alten Dame, die in seinem Laden bestohlen wurde, traf es ein so wehr- wie mittelloses Opfer: Als er ihre leere Börse fand, habe sie sich über die darin verbliebene 4er-Straßenbahnkarte gefreut. Bei allem Mitleid für Marktleiter und Kundin gilt jedoch auch hier: Fahndung ist Sache der Ermittlungsbehörden – und der Pranger gehört ins Mittelalter.

Christina Wandt

Im Kampf gegen Ladendiebe greift ein Supermarktleiter aus Kray zur Selbstjustiz. 40 bis 50 Hausverbote habe er 2008 gegen erwischte Diebe verhängt, doch viele Täter kehrten trotzdem in seinen Edeka-Markt an der Straße Zur Beckhove zurück, klagt Stefan Findorff. „Wir hängen jetzt Bilder der Diebe auf, damit die Kassiererinnen wissen, wer hier nichts verloren hat.” Die Fotos stammen aus der Überwachungskamera und sind so im Kassenbereich platziert, dass auch die Kunden sie sehen können.

Das Fahndungsplakat ist selbstgemacht

Mehr noch: Zwischen den Kassen hat Findorff jetzt ein Fahndungsplakat angebracht: Ein Mann und eine Frau sind da abgebildet, darunter steht: „Wer kennt diese Personen?” Dazu habe er sich veranlasst gesehen, nachdem vergangene Woche einer alten Dame im Laden ihr Portemonnaie gestohlen wurde. „Sie hat es an der Kasse bemerkt und ist weinend zusammengebrochen.” Natürlich habe er ihr zur Anzeige bei der Polizei geraten.

Weil die Dame zwei verdächtige Personen beschrieb, habe er deren Bilder aus den Videoaufzeichnungen gesucht und gedruckt. Normalerweise werden die Aufnahmen nach drei, vier Tagen gelöscht, nun hängen die Bilder öffentlich aus. So einfach könnte es sich die Polizei nicht machen, sagt Sprecher Lars Lindemann. „Für eine Öffentlichkeitsfahndung benötigen wir einen richterlichen Beschluss.” Die Art des Delikts sei dabei nicht allein ausschlaggebend. „Man macht das nicht nur bei Mord und Totschlag, sondern auch mal bei Betrug am Geldautomaten oder Diebstahl, wenn es Bilder gibt und die Fahndung zuvor erfolglos war.”

Vollgeladene Einkaufswagen werden weggekarrt

Erfolglosigkeit mag Findorff der Polizei nicht vorwerfen. „Aber oft haben die Täter hier so viel auf dem Kerbholz, dass der Diebstahl vor Gericht keine Rolle spielt. Ich hab einen Ordner voll eingestellter Verfahren.” Dabei sei der Ladendiebstahl für ihn „existenzbedrohend”: Alles von der Tafel Schokolade bis zum Einkaufswagen voll Kaffee verschwinde aus dem Laden. Im übrigen habe sich noch kein Täter über seinen Pranger beschwert.

Bei der Landesdatenschutzbeauftragten sieht man das kritischer. „Generell gibt es weder für die Hausverbots-Fotos noch für die private Fahndung eine Rechtsgrundlage”, betont Sprecher Nils Schröder. Es sei höchstens denkbar, dass ein Dieb sich fotografieren lässt, wenn dafür auf die Anzeige verzichtet wird. „Auch dann dürfte das Bild nur intern verwendet werden, damit die Angestellten wissen, wer Hausverbot hat.” Sollte der Fall in Kray angezeigt werden, könnte sein Haus als Aufsichtsbehörde ein Bußgeld verhängen - gegen Stefan Findorff.