Essen. Früher stand der Essener Schauspieler Christian Natter im Courage und im Aalto auf der Bühne, am Mittwoch ist er in der hiesigen Premiere von Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ in der Lichtburg als Pizzabote zu sehen. Nur dabei sein kann er selbst nicht.

Wenn Sie sich im Kino beim Betrachten der „Feuchtgebiete“ dieser Tage mal nicht an den halsbrecherischen Skateboard-Fahrten der Filmheldin Helen schwindelig gucken oder darüber nachdenken, wer die Klobrille vor den Dreharbeiten so kunstvoll verdreckt hat, dann achten Sie auf den Pizzaboten. Könnte Ihnen vielleicht bekannt vorkommen, der junge Mann. Nicht von der letzten Lieferung einer Pizza Calzone, sondern aus dem Aalto-Theater oder dem Theater Courage.

Dort hat vor Jahren einmal alles angefangen für den Essener Schauspieler Christian Natter. Und ausgerechnet jetzt, zu seiner ersten Filmpremiere von „Feuchtgebiete“ in der Lichtburg, kann er nicht nach Hause kommen. Theaterverpflichtungen halten Christian Natter in Brandenburg fest.

Charlotte Roche sei „zum Verlieben“

Dabei hätte sich die Heimfahrt ja schon für eine neuerliche Begegnung mit „Feuchtgebiete“-Autorin Charlotte Roche gelohnt. „Zuckersüß“ und „zum Verlieben“ sei die einstige „Viva“-Frontfrau, die mit ihrem Buch über Intimrasur und andere Fragen weiblicher Sexualität vor fünf Jahren einen Millionenerfolg landete und die Gemüter erregte.

Erst zwei Tage vor Drehstart hat Natter im vergangenen Herbst von seiner Verpflichtung erfahren. Viele Informationen zu seiner kleinen, aber doch zentralen Rolle als Pizzabote gab es nicht, denn es galt strengste Geheimhaltung! Immerhin hatte der 27-Jährige vorab das Buch gelesen. Viel hängen geblieben war von der Lektüre zwar nicht. Wohl aber die Erkenntnis, wie „schnell die Leute empört sind und das Buch doch alle zu Hause haben“. Wenn Skandal-Autorin Roche am Mittwoch nun zusammen mit Regisseur David Wnendt auf dem Roten Teppich der Essener Lichtburg steht, wird sich der gebürtige Essener schon auf seine nächste Vorstellung vor jugendlichen Theatergängern in Brandenburg vorbereiten.

Die Arbeit mit jungen Menschen hat ihn auch zum Theater gebracht. Als der damals 19-Jährige seinen Zivildienst in São Paulo absolvierte, war bald für ihn klar, dass er Schauspieler werden will. Mit Gaby Hauptmanns Frauenroman-Vorlage „Suche impotenten Mann fürs Leben“ hat die Arbeit dann am Theater Courage begonnen. Aus dem Statisten-Auftritt in Hans Neuenfels „Tannhäuser“-Inszenierung am Aalto-Theater ist sogar eine künstlerische Freundschaft mit dem Regisseur entstanden, die den 27-Jährigen bis heute beschäftigt. Seit 2008 spielt er an der Komischen Oper in Berlin in der Neuenfels-Inszenierung von „La Traviata“ die Rolle des Zuhälters. Demnächst soll in München eine Produktion mit den Klassik-Stars Jonas Kaufmann und Anna Netrebko starten.

Staatsoper und Tourneetheater

Christian Natter ist in vielen Genres zu Hause, weil Verdi und Brecht, Staatsoper und Tourneetheater genau so zum Dasein als freier Schauspieler gehören wie der „Nivea“-Spot im Fernsehen. Aber kaum hat man für ein paar Minuten seinen Auftritt auf der großen Leinwand, „denken plötzlich alle Leute, der hat es geschafft“, weiß Natter. Am Ziel fühlt sich Christian Natter dabei noch nicht. Die Arbeit geht weiter, sein nächstes Spielfilm-Projekt heißt „Das Floß“. Nach Essen treibt es ihn diesmal nicht.