Essen. Der Aufbau der schnellen Datenautobahn in Essen droht aus dem Ruder zu laufen. Das zuständige Unternehmen Essen.net schreibt weiter tiefrote Zahlen. Nun soll ein neuer Partner, der gesucht wird, für mehr Einnahmen sorgen.

Holperweg statt Datenautobahn: Der Ausbau des schnellen Glasfaser-Netzes in Essen kommt vier Jahre nach dem Start nicht voran. Die Kosten bei der dafür gegründeten Gesellschaft Essen.net sind gegenüber den ursprünglichen Plänen aus dem Ruder gelaufen und auch die Vermarktung hinkt hinterher. Die Gesellschaft schreibt weiter tiefrote Zahlen.

Reißleine ziehen oder weiter investieren, im Glauben daran, dass sich ein stadtweites Breitband-Netz einst bezahlt macht? Essen.net, an der die städtische Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) und die Vitronet Beteiligungen GmbH gleiche Anteile halten, sucht ihr Heil in der Flucht nach vorn.

15 Millionen Euro Darlehen für Essen.net

So ließ das Unternehmen verkünden, man halte jetzt Ausschau nach einem strategischen Partner. Offiziell heißt die Begründung: „Wir suchen einen Partner, der die Vermarktung vorantreibt.“ Insider lesen daraus, dass man mit den bisherigen Erfolgen aus der Vermietung des Netzes, für die Vitronet zuständig ist, alles andere als zufrieden ist.

Nach WAZ-Informationen schrieb Essen.net im vergangenen Jahr einen sechsstelligen Verlust. Ähnlich hoch wird er auch für 2013 prognostiziert. Die Gesellschaft hängt am Tropf der Gesellschafter, die weiter Geld ins Unternehmen pumpen müssen. Zugesagt hatten sie jeweils rund 7,5 Millionen Euro Darlehen – also rund 15 Millionen. Aufgebraucht sollen bereits fast zehn Millionen sein.

Glasfaserkabel-Vermarkter vor dem Ausstieg?

Dirk Pomplun, Sprecher der Stadtwerke und gleichzeitig Sprecher für Essen.net, sagte, dass ein weiterer Netzausbau davon abhängig gemacht werde, ob die Vermarktung in Gang kommt. Bislang sind in Frohnhausen 8000 Wohnungen angeschlossen und 46 Kilometer Kabel verlegt. In Huttrop liegen 26 Kilometer – aber nur in den Haupttrassen. Offenbar befürchtet man, weitere Millionen in der Essener Erde zu versenken.

Ein Befreiungsschlag aus der Misere hätte ein Deal mit dem Allbau sein sollen. Man hatte damit geliebäugelt, dass Wohnungen des städtischen Unternehmens von Essen.net mit Kabel-TV etc. versorgt werden. Doch die Idee hat sich in Luft aufgelöst. Der derzeitige Anbieter Unitymedia hatte Allbau ein Angebot vorgelegt, „mit dem Essen.net wirtschaftlich nicht mithalten konnte“, bestätigt Allbau-Chef Dirk Miklikowski.

Die jetzt angestoßene Partnersuche könnte aber auch eine ganz andere Ursache haben, die offiziell niemand bestätigt. Nach Informationen der WAZ will Vitronet offenbar aus der Zusammenarbeit mit der EVV aussteigen. Von Vitronet gab es dazu gestern trotz Anfrage keine Stellungnahme. Ohne Vermarktungspartner stünde das Projekt aber wohl vor dem Aus.

Reißleine im Glasfaser-Projekt will politisch niemand ziehen

Das Geschäft klang simpel: Die Stadtwerke Essen bringt die Kabel für die EVV in die Erde, Vitronet vermarktet das Glasfaser-Netz, das für alle Interessenten offen ist. Das heißt, verschiedene Anbieter können gegen Miete ihre Dienste wie TV-Programme oder Internet-Spiele einspeisen. Doch das Interesse daran ist bislang gering.

Als Essen.net 2009 an den Start ging, glaubten die Gesellschafter, dass die Firma 2013, womöglich 2014 schwarze Zahlen schreibt, doch davon ist sie weit entfernt. Zum einen hatte man sich bei den Kosten verkalkuliert. Bereits 2012 musste man realisieren: Der Aufbau eines stadtweiten Netzes würde fast 110 Millionen kosten, und damit doppelt so viel wie angenommen.

Sprecher: Schwierige Vermarktung

Zum anderen tat sich bisher zu wenig auf der Einnahmeseite. Die Vermarktung sei nicht einfach, weil Diensteanbieter ihre eigene Infrastruktur aufgerüstet hätten, und somit noch nicht auf Glasfaser angewiesen seien, sagt Essen.net-Sprecher Dirk Pomplun sinngemäß. Man glaube aber, dass sich das mittelfristig ändern werde und das Geschäft Fahrt aufnehme.

Die Reißleine ziehen, traut sich derzeit politisch niemand. Denn man fürchtet, dass ein Verkauf eines halbfertigen Netzes weniger Erlöse bringt, als man schon investiert hat. Essen.net würde dann schnell zum Millionen-Grab.