Essen. . Der erste Fahrbahnübergang wurde an der Ruhrtalbrücke von einem routinierten Kranführer eingehängt. Eine anspruchsvolle Aufgabe mit ganz speziellen Anforderungen, da die Ruhrtalbrücke eine Kurve beschreibt und sich bis zu einem Meter ausdehnen oder zusammenziehen kann.
Kranführer müssen ganz besondere Menschen sein. Ausgestattet mit einem unerschütterlichen Gemüt, in sich ruhend, jeden Anflug von Hektik vermeidend. Nur keinen Stress hier. Janne Sajakowski ist so einer. Ganz gelassen sitzt er in der Kabine seines 100-Tonnen-Krans, am Haken eine immerhin 22 Tonnen schwere Sonderanfertigung aus nichtrostendem Spezialmetall, gut 400.000 Euro wert.
Das 14 Meter lange Bauteil ist einer der neuen Fahrbahn-Übergänge für die Ruhrtalbrücke. „Wenn das Teil am Haken hängt, ist der Kranführer hier der Chef“, sagt der eigentliche Chef der Baustelle, Peter Belusa, Projektleiter der großen A 52-Baustelle, die in diesem Sommer doch erheblichen Einfluss auf den Verkehrsfluss zwischen Düsseldorf und Essen nimmt. „Der Kranführer sagt, wo’s langgeht und wie es weitergeht.“
Die unterste Eskalationsstufe bei Kranführern
Momentan geht es aber gar nicht weiter. Dennoch wirkt Herr Sajakowski entspannt, ruhig, die Augen leicht zusammengekniffen, fast so, als würde er sich ein Schläfchen gönnen. Tut er natürlich nicht. Dann holt er eine Stulle raus. Eine kleine Pause, eine mentale Stärkung, während weiter unten an den Stahlarmierungen der Brücke die Arbeiter schwitzen. Ob man da nicht Herrn Sajakowski, den gebürtigen Finnen, der vor einigen Jahren an die Ruhr kam, mal ansprechen könnte? „Bloß nicht, auf gar keinen Fall, das kann der Mann während der Arbeit überhaupt nicht vertragen. Im günstigsten Fall kommen sie mit einem bösen Blick davon“, warnt Belusa. Und man ahnt, dass dies nur die unterste Eskalationsstufe bei Kranführern ist.
Da, jetzt geht’s weiter, der Finne tippt scheinbar an einem kleinen Schalter, tatsächlich bewegt sich das tonnenschwere Metallteil vielleicht um ein, zwei Zentimeter zur Seite. Das war’s dann aber auch schon wieder, Janne Sajakowski sinkt wieder tiefer in seinen Sitz. Es ist wahrscheinlich das Geheimnis von Kranführern: Nur keine Hektik hier.
Mit Stemmeisen und Vorschlaghammer etwas nachgerichtet
Unten, in der Baugrube, dort, wo die Brücke auf das Festland trifft, ist dagegen einiges los: die Öffnungen zwischen den Stahl-Armierungen passen nicht ganz auf die Metallträger der Fahrbahnplatte. Also wird mit Stemmeisen und Vorschlaghammer etwas nachgerichtet: „Da kannze zweimal nachmessen und dann passt dat Ding doch nicht“, flucht einer der Bauarbeiter der Sollinger Hütte, die als Brückenbau-Spezialist, in der südniedersächsischen Stadt Uslar beheimatet, für diesen Teil der A 52-Sanierung verantwortlich zeichnet. Dabei ist das mit dem Spiel so eine Sache: Gerade einmal einen Millimeter Toleranz erlauben die Vorgaben von Straßen.NRW, wenn alles liegt und der
Beton durchgehärtet ist. Vier Übergänge werden die Arbeiter aus Sollingen einhängen, sie anschweißen, ausrichten, anschließend die Baugrube unter dem Metallteil mit 200 Tonnen Beton fluten. „Das sollte dann mindestens für die nächsten 60 Jahre halten“, sagt Peter Belusa, vom Landesbetrieb, der das A 52-Projekt leitet – an der Mutter aller Autobahnbrücken im NRW-Lande: „Das ist unsere größte Stahlbrücke.“
"Wir durften nicht länger warten"
Im übrigen auch mit ganz speziellen Anforderungen, da die Ruhrtalbrücke eine Kurve beschreibt, was so einem Fahrbahn-Übergang schon einiges an Flexibilität abverlangt. Einen ganzen Meter dehnt oder zieht sich die Brücke zusammen, je nach Temperatur oder Feuchtigkeit. Das geht an die Substanz. Dazu die 40.000 Fahrzeuge täglich in jede Richtung. Das laute Geräusch beim Überfahren der alten Übergänge zeigte bereits an, dass da einiges verschlissen war: „Als wir die alten Metallteile angehoben haben, war uns klar, das wir nicht länger warten durften“, sagt Belusa. Mit den neuen Übergängen dürfte die Ruhrtalbrücke weniger scheppern, eher ganz leise sirren – daran erkennt der Brückenbauer die hohe Qualität.
In einer Woche wird der zweite Übergang der Spur eingehängt, danach will Straßen.NRW den Verkehr über die neuen Verbindungen rollen lassen. In den Wochen danach folgen die Übergänge der zweiten Spur. „Wir liegen absolut im Zeitplan“, zeigt sich Peter Belusa optimistisch, die Autobahn wie angekündigt am 30. September wieder komplett freizugeben. Denn auch die Straßenbauer auf dem zehn Kilometer langen Abschnitt zwischen Breitscheid und Kettwig liegen im Soll: „Da dürfte auch nichts dazwischen kommen“, sagt der Bauingenieur. Das sei doch ein sehr routinierter Auftrag.
So ähnlich sieht das wohl Janne Sajakowski. Gegen Mittag endlich, kann er die Metallplatte vom Haken nehmen, das Teil liegt am Boden. Völlig stressfrei.