Essen. . Die Mülheimer Pläne, die Straßenbahn abzuschaffen und dazu die Stadtbahn-Linie U 18 zur Disposition zu stellen, stoßen in Essen auf massive Kritik. Statt der Straßenbahn sollen in Zukunft Busse fahren. Dies allerdings hätte deutliche Konsequenzen für den Essener Nahverkehr. Politiker sind entsetzt.

Neue Wege gehen im Nahverkehr, gemeinsam die Zukunft gestalten, dafür wirbt die Via, das Verkehrsunternehmen für Duisburg, Essen und Mülheim. Der Weg allerdings könnte demnächst wieder abrupt an der Stadtgrenze enden: Der Mülheimer Stadtrat entscheidet heute über das Aus für die Straßenbahn in der Ruhrstadt. Die Stadtspitze ist offensichtlich fest entschlossen, die Tram aus finanziellen Gründen aufs Abstellgleis zu schieben. Busse sollen dann auf den Linien fahren.

Dies allerdings hätte deutliche Konsequenzen für den Essener Nahverkehr: Die Linie 104 ab Aktienstraße würde als eine der ersten Straßenbahnen gestrichen. Daneben will Mülheim aber auch die Stadtbahn-Linie U 18 abwickeln. Die Sanierung der Strecke ab Rhein-Ruhr-Zentrum würde einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, Geld, dass man einsparen will. Wie dann künftig 30.000 Menschen von Mülheim nach Essen kommen, diese Frage werde offenbar in Mülheim nicht tiefer erörtert, heißt es bei der Evag: „Etwa in Bussen?“ Nicht nur am Erzhof in Rüttenscheid schrillen alle Alarmglocken: „Das darf nicht das letzte Wort sein.“

Keine Information, keine Absprache

Fassungslos, geradezu entsetzt, blicken Essens Nahverkehrspolitiker auf die politische Entwicklung in der Nachbarstadt: „Ich bin stinkesauer, ich kann das gar nicht glauben, was da passiert“, sagt beispielsweise der Evag-Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Weber (SPD), vor ein paar Jahren ebenfalls Via-Aufsichtsratschef. „Am meisten ärgert mich, dass da offenbar gravierende Entscheidungen getroffen werden, ohne jede Absprache, ohne jede Information. Das hat mit Via gar nichts mehr zu tun.“ Weber nimmt kein Blatt vor den Mund: „Wir haben klar vereinbart, für einen starken Nahverkehr im Ruhrgebiet einzutreten. Und dazu gehört ein gutes Straßenbahn-System. Wir sind doch hier nicht auf dem Lande, wo ich ein paar Busse über die Dörfer schicke!“

Die Absicht der Mülheimer verstoße gegen alle Absprachen und Vereinbarungen zwischen den drei Nahverkehrsunternehmen Evag, MVG (Mülheim) und DVG (Duisburg), gegen alle ÖPNV-Pläne, gegen Konzessionen, gegen die Vorgaben der Bezirksregierung. Dass der MVG-Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Michels (CDU) dies auch noch mittrage, sei nicht mehr nachvollziehbar: „Dann soll er zurücktreten.“ Weber sieht im Mülheimer Alleingang eine Gefahr für die Via, für die Kooperation zwischen den Städten: „Wenn so Nahverkehrspolitik gemacht wird, dann können wir es vergessen.“

Alle Bemühungenkonterkariert

Dass Mülheim die Basis der Zusammenarbeit in Frage stellt, das unterstreicht auch der neue Evag-Vorstandsvorsitzende Michael Feller: „Ich sehe das sehr kritisch. Das konterkariert alle unsere Bemühungen und es wird zu einer städteübergreifenden Verschlechterung des Nahverkehrs-Systems führen. Dass Mülheim sogar die U 18 zur Disposition stellt, kann ich mir gar nicht vorstellen. Wie soll das ohne Stadtbahn funktionieren?“

Für Wolfgang Hausmann, Evag-Betriebsratschef und stellvertretender Via-Aufsichtsratsvorsitzender, ist die Mülheimer Entscheidung „klar der falsche Weg. Zu einem guten Nahverkehrssystem gehört die Straßenbahn, gerade hier im Ruhrgebiet. Das schaffe ich mit Bussen nicht.“ Mülheim habe die Straßenbahn vernachlässigt, zu wenig investiert, „deshalb aber gleich das ganze System zu kippen, ist ein Fehler“.

„Wir sind massiv besorgt“, sagt auch Rolf Fliß, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Ratsfraktion. „Das hat ganz gravierende Folgen für Essen. Hat Via dann noch eine Chance? Wird der Busbereich im nächsten Schritt privatisiert? Kommt dann noch die 105 nach Oberhausen? Was wird aus der Stadtbahn-Linie U 18?“ Fliß, Feller, Weber, Hausmann, sie alle betonen: „Darüber muss mit Mülheim gesprochen werden, so geht es jedenfalls nicht.“