Essen. Essens Chef-Denkmalpflegerin Petra Beckers klagt, es sei in privatisierten historischen Siedlungen kaum möglich, das gewünschte einheitliche Bild zu bewahren. Auch im Altenhof I und II gibt es viele Konflikte
Die historischen Krupp-Siedlungen Altenhof I und II waren Teil unserer laufenden Serie über „Besondere Orte“ in Essen. Ein Anwohner schrieb uns als Reaktion, der Denkmalschutz vergifte das soziale Klima in der Siedlung, baulicher Wildwuchs sei eingezogen, und viele scherten sich wenig um Denkmalschutz. Stimmt das, Frau Beckers?
Petra Beckers: Ich fürchte, dieser Anwohner hat teilweise Recht. Ich habe die Erfahrung gemacht: Es ist generell fast unmöglich, privatisierte historische Siedlungen einigermaßen denkmalwürdig zu erhalten. Die Bonifaciussiedlung in Kray, haben wir ja genau aus diesem Grund aus dem Denkmalschutz herausgenommen, sogar die Politik hat damals zugestimmt.
Aber schade ist das doch schon.
Beckers: Ich empfinde über den Fall der Siedlung Bonifacius keine Genugtuung. Aber man musste den starken Veränderungen Rechnung tragen, so dass es einfach keinen denkmalpflegerischen Sinn mehr gemacht hätte. Auch die Siedlung Matthias Stinnes in Karnap ist unter dem Gesichtspunkt Denkmalpflege auf einem kritischen Weg. An der Gottfried-Wilhelm-Siedlung in Rellinghausen, die nicht unter Denkmalschutz steht, haben Studenten mal eine Untersuchung gemacht und nur noch eine einzige Originaltür gefunden.
Wo genau liegen die Probleme?
Beckers: Wer ein denkmalgeschütztes Haus gekauft hat, will so leben, wie er es sich individuell vorstellt. Und da gibt es dann nicht zuletzt dank der Baumarkt-Vielfalt eben unendlich viele Möglichkeiten, das einheitliche Gesamtbild einer Siedlung zu zerstören. Der eine baut einen Zaun, der zweite einen wuchtigen Briefkasten, der dritte will die Fenster verbreitern und einen Wintergarten anbauen, der vierte eine Dachgaube aufsetzen.
Aber Sie haben doch das Gesetz an ihrer Seite.
Beckers: Ja, aber faktisch kommen wir als Stadt da nicht hinterher. Nicht selten wird am Wochenende einfach drauflos gebaut, selbst dann, wenn es eigentlich um baugenehmigungspflichtige Arbeiten geht. Hinzu kommt, dass manche meinen, sie machten alles richtig, nur der Nachbar, der mache alles falsch. Es gibt dann unschöne Szenen, etwa wenn Nachbarn sich gegenseitig anschwärzen.
In Siedlungen mit nur einem Eigentümer wie der Margarethenhöhe ist es vermutlich besser.
Beckers: Es ist besser, aber selbst dort gibt es immer wieder viele Diskussionen um Details. Übrigens setzt der Denkmalschutz in privatisierten Siedlungen von Gesetz wegen die gleichen Kriterien an. Das müssen wir sogar.
Wir machen wirklich viele Kompromisse
Nun ändern sich eben auch Wohnbedürfnisse. Gibt es denn immer eine Lösung, die beide Seiten befriedigt?
Beckers: Die gibt es in aller Regel schon. Natürlich ist das nicht immer die einfachste Lösung, das gebe ich zu. Aber das Eigentum eines Baudenkmals verpflichtet auch. Und wir machen wirklich viele Kompromisse, die ein zeitgemäßes Leben in einem Denkmal ermöglichen.
Nur unter Denkmalgesichtspunkten betrachtet, sind einige der schönsten Häuser im Altenhof II jene, deren Eigentümern offenbar das Geld für große Veränderungen fehlt.
Beckers: Man sagt immer, Armut ist der beste Konservator. Natürlich funktioniert das nur bis zu einem gewissen Punkt. Irgendwann sind die Häuser dann allzu marode, dann ist das Denkmal auch verloren. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Eigentümer, die sich sehr für das historische Erscheinungsbild der Siedlung einsetzen.
Aber dass sie den Altenhof aus dem Denkmalschutz rausnehmen wollen, ist hoffentlich ein Gerücht?
Beckers: Ja, wir halten, was wir irgendwie halten können. Es gibt noch Substanz, aber sie schwindet, und mit einigen Eigentümern, die den Denkmalschutz missachten, sind wir im Klageverfahren. Andere wissen, dass sie sich denkmalrechtliche Genehmigungen geben lassen müssen, aber nehmen das nicht ernst. Ich unterstelle nicht allen Leuten böse Absicht, es fehlt aber bei einigen einfach das Verständnis. Ich würde mir da mehr Stilempfinden, mehr Sensibilität für das Denkmal wünschen.
Das Amt als Erzieher und Kontrolleur?
Beckers: Wir wollen das nicht, werden aber immer weiter in diese Rolle gedrängt. Eine erfolgreiche Denkmalpflege ist nur in Zusammenarbeit mit den Eigentümern zu erreichen.
Die Fragen stellte:
Frank Stenglein
Die Bünderts, die ein Haus im Altenhof I besitzen, gehören zu jenen Eigentümern, mit denen das Amt erfolgreich Denkmalpflege betrieben will. Sie sehen es so:
Im Clinch mit dem Denkmalschutz - für Angelika und Wilfried Bündert ist das Alltag. Kein Missverständnis: Sie mögen ihr kleines Haus im Altenhof I in Rüttenscheid, und sie geben auch zu, dass der Denkmal-Status einerseits durchaus nützlich ist. Denn wer weiß, ob es die fünf Häuschen überhaupt noch gäbe, wenn nicht seit Anfang der 1980er Jahre dieser letzten Rest der ehemals 400 Häuser starken Siedlung unter Schutz gestellt worden wäre.
Andererseits sind da die Kehrseiten, die immer wieder für Ärger sorgen. „Ständig machen wir angeblich irgendwas falsch und sollen entweder etwas zurückbauen, umbauen oder sogar gar nicht bauen“, klagt Angelika Bündert. Der Carport war zu groß geraten - er musste einen halben Meter zurück. Die Fenster sollen so hübsch klein bleiben wie sie immer waren, und selbst die Art der Randbepflanzung an der Einfahrt sei von der städtischen Denkmalpflege schon moniert worden.
Neubauten, die recht nah an Bünderts kleines Denkmal gerückt sind
„Die Dame vom Amt ist sehr kleinlich“, klagt Frau Bündert. Das Ehepaar versteht das auch deshalb nicht, weil gleich nebenan große viergeschossige Neubauten entstanden, die für den Geschmack der Bünderts recht nah an ihr kleines Denkmal herangerückt sind. Eine Klage vor dem Verwaltungsgericht verloren sie, die Abstände seien in Ordnung. Dennoch: Einerseits sei man rigiden Auflagen unterworfen, andererseits lasse es die Stadt zu, dass man förmlich erdrückt werde - so jedenfalls empfinden es die Bünderst. „Wie passt das zusammen?“
Man müsse auch sehen: Während die Nachbarhäuschen tatsächlich noch aus der Erbauungszeit der Altenhof I-Siedlung stammen und um die 110 Jahre alt sind, handelt es sich bei ihrem Haus um einen Wiederaufbau von Anfang der 1950er Jahre. Das Häuschen Hundackerweg 12 war eines der wenigen, die im Bombenkrieg zerstört wurden, der in diesem Teil Rüttenscheids nicht ganz so schlimm tobte wie etwa in den Quartieren Richtung Innenstadt.
Erlaubnis, eigenes Zuhause mit Ruinensteinen selbst wieder aufzubauen
Wilfried Bünderts Vater bekam damals von Krupp die Erlaubnis, sein Zuhause mit Ruinensteinen selbst wieder aufzubauen. Entgegenkommen bei der Miethöhe und ein Vorkaufsrecht waren die Gegenleistungen des Konzerns.
Einmal sind die Bünderts zu Ehren gekommen. Als Äthiopiens Kaiser Haile Selassie I. Deutschland und die Firma Krupp besuchte, wollte man ihm 1954 auch beispielhaft die Qualität der Krupp-Siedlungen zeigen. Warum der Kaiser dann ausgerechnet im Wohnzimmer seiner Eltern saß, weiß der damals fünfjährige Wilfried Bündert noch ganz genau: „Unser Haus war das neueste und modernste.“ Denkmalschutz interessierte weniger.