Essen. . Während die Grünen einen Bürgerentscheid wollen, kommt die Linke mit einem neuen Wahlspruch daher. Wolfgang Kintscher, Leiter der NRZ-Stadtredaktion Essen, kommentiert die Debatte rund um den Messe-Ausbau.

Hundert Jahre Messe Essen – da hätte man in dieser Stadt eine ausgelassene Geburtstagsstimmung erwarten können, erst recht, wenn sich die so oft als schöne Stadttochter gefeierte Jubilarin mit ihrem internationalem Flair ein neues Gewand gönnt. Doch stattdessen wabert eine Stimmung durch die Reihen wie beim Wiegenfest des ungeliebten Onkels, eines ausgewiesenen Stinkstiefels, der einem immer schon mit seinem hochnäsigen protzigen Gehabe auf die Nerven ging, und von dem man erst seit kurzer Zeit weiß, dass er zeitlebens wiewohl lange verschwiegen Kostgänger der gutmütigen Mutter war.

Kurzum: Man respektiert ihn, weil er über Kontakte verfügt, die einem noch irgendwann nützlich sein könnten, aber man liebt ihn nicht.

Imageschaden selbst verschuldet

Einen Gutteil dieses Imageverlusts hat die Messe selbst verschuldet – durch eine schlechte Kommunikation aus der Chefetage, durch eine lange ebenso eitle wie unehrliche Darstellung ihres finanziellen Status, und durch die immer kürzer ausfallende Halbwertzeit ihrer Beteuerungen, nur diese eine Baumaßnahme sei noch erforderlich, dann würde mit der Messe alles gut.

Muss es einen da wundern, dass die x-te Wiederholung dieses Mantras aus Anlass der „Ertüchtigung“ für 123 Millionen Euro plus x nicht mehr verfängt? Dass selbst hochrangigen Verwaltungsleuten und Politikern mulmig wird bei dem großen Rad, das da an der Norbertstraße baulich gedreht wird?

Kompliziertes Messe-Vorhaben

Der Glaube an eine gedeihliche Messe-Zukunft ist letztlich eine Wette auf die Zukunft, mehr als fünf, sechs Jahre, in denen sich das Investment ja längst nicht ausgezahlt hat, lassen sich kaum überschauen. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Grünen kalte Füße bekommen und die Bürger (mit-)entscheiden lassen wollen. Da das Messe-Vorhaben kompliziert und komplex ist, dürfte es dort nicht um die besten Argumente, sondern darum gehen, wer die unterschwellige Stimmung in der Bevölkerung am besten in Stimmen umzumünzen versteht.

Ein Vorbild dafür ist schnell gefunden: Im Kommunalwahlkampf 2009 machten sich die wenigsten klar, wie dramatisch es wirklich um die Stadtfinanzen steht. Der SPD reichte ein Slogan, der die von vielen gefühlte Ungerechtigkeit in einen Wortdreiklang über die Bäderfrage presste: „Hesse ist überall“. Daran knüpften gestern die Linken an, die mit einiger Berechtigung das (sehr lange) intransparente und (wenn man das Tohuwabohu betrachtet teils auch heute noch) dilettantische Vorgehen der Stadtspitze geißeln. Sie halten den Ausbau für ein „Fiasko mit Ansage“ und dürfen für sich in Anspruch nehmen, das Unbehagen mit dem Messe-Investment in einen neuen Wahlspruch gegossen zu haben: „Messe ist überall.“

Das hat schon mal funktioniert.