Essen. Vier Wochen dauerte der Abriss, am Ende blieb vom Georg-Melches-Stadion in Essen nur Schutt und Wehmut. Treue RWE-Fans verfolgten die Arbeiten bis zur letzten Minute.
„Heute erleben wir die Todesstunde der Tribüne“, sagt Markus Kunze und blickt auf die Bagger, die am Donnerstagfrüh an der Hafenstraße in die Ruine des Georg-Melches-Stadions beißen. Wer meint, der Projektentwickler bei der Grundstücksverwaltung der Stadt Essen (GVE), lege zu viel Pathos in seine Worte, der sei an einen Artikel erinnert, der zu Beginn der Abrissarbeiten vor einem Monat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien. Da war nicht bloß vom Tod der Tribüne die Rede, da hieß es: „Hier stirbt ein Stück Ruhrgebiet“.
Der Verfasser erinnerte an das Jahr 1957, als die neue Haupttribüne eingeweiht wurde, als modernste weit und breit, mit 4500 Plätzen, eleganter Stahlbetonkonstruktion – und frei schwebendem Dach. Ein halbes Jahrhundert später hat Roland Fiolka den Auftrag, Stahlbeton und Eleganz dem Erdboden gleich zu machen. Der Polier aus Wanne-Eickel tut das mit Respekt vor der Aufgabe, aber ohne Wehmut: „Ich bin Schalke-Fan.“ Seit vier Wochen zerlegen sie die Tribüne: Fiolka, zwei Maschinisten mit zwei großen Hydraulikbaggern, und ein Helfer, der den Staub bindet. Ob es klüger gewesen wäre, die Tribüne gleich zu sprengen? Nein, teurer wäre es gewesen, sagt Fiolka, denn hinterher hätte man die Trümmerteile akribisch sortieren müssen: Die Tribüne wird zu Bauschutt recycelt, aber belastete Teile wie die teerhaltige Dachhaut dürfen nicht untergemengt werden.
Ein schmerzlicher Anblick
Am Donnerstag zieht der Bagger ein Stück dieser Dachhaut wie eine Decke von der Tribüne. Filigranarbeit. Dann wird der Bagger grob, zermalmt den Schornstein, die Antenne fällt, Backsteine folgen. Ein schmerzlicher Anblick für Hans Schädlich: Sein Leben lang hat der 82-Jährige den Verein und seine Spieler begleitet, hat Willi Lippens chauffiert, „weil der Junge keinen Führerschein hatte“. Eine Wohnung freilich hatte das Fußballtalent da schon – in der Haupttribüne, die gerade zerstört wird. „Das tut weh. Ich war schon dabei, als das Stadion gebaut wurde“, sagt Schädlich. Ähnlich fühlt Kurt Wagner (65), der den Verein mit der Kamera begleitet: „Ich war das erste Mal 1956 als Kind im Stadion, hab’ mein Herz an Rot-Weiss verloren. Hier war so viel Leben. Die Tribüne war auch mein Leben.“ Nicht nur die Initiative Georg-Melches-Stadion (GMS) hat darum für den Erhalt dieser Tribüne gekämpft: „Für immer GMS“ steht an der benachbarten Eisenbahnbrücke, davor ein Herz aus Teelichtern. „Da wird überlegt, alte Bauwerke wie das Rathaus wieder aufzubauen – und hier reißt man ab“, seufzt Detlev Jaritz (60) mit Blick aufs Trümmerfeld, das einst Tribüne war. „Unser Kampf ist gescheitert.“ Hans Schädlich nickt, brummt dann: „Wir haben aber auch für ein neues Stadion gekämpft.“
Abriss der Haupttribüne