Essen. . Das Amt für Statistik, Stadtforschung und Wahlen hat eine Untersuchung über die Armut in Essen veröffentlicht.In einem Sprengel des Nordviertels sind Dreiviertel aller unter 18-Jährigen auf Geld vom Staat angewiesen. Knapp 80.000 Essener Bürger beziehen Hartz IV.
Erfolgsmodell und Armutsfalle zugleich: Mag die Agenda 2010 für die Unternehmen besonders in der Exportwirtschaft nach nunmehr zehn Jahren eine Story des Aufschwungs sein – für die Arbeitnehmer und insbesondere die, die in dieser Zeit ihren Job verloren haben, war und ist sie jedoch ein Tiefschlag ins Haushalts-Kontor.
Fakt ist: Die Armut in Essen hat sich verfestigt. Besonders junge Menschen und Kinder sind die Leidtragenden des Effekts, dass eine insgesamt steigende Nachfrage nach Arbeitskräften an den Menschen im Hartz IV-Bezug weitestgehend vorbeigegangen ist.
Und das sind – nur zur Erinnerung – eine ganze Menge Betroffene in dieser Stadt: knapp 80.000.
Wohlstand und Verzicht
Zählt man die übrigen Kunden des Jobcenters mit hinzu, lebten zum Stichtag 31. Dezember 2011 exakt 89.222 Essener von den so genannten Leistungen zur Existenzsicherung. Dies geht aus einer aktuell veröffentlichten Untersuchung des Amts für Statistik, Stadtforschung und Wahlen über einen Zeitraum von insgesamt sieben Jahren hervor: Fünf Jahre zuvor waren es 89.290 Betroffene. 2009 und 2010 lag deren Zahl sogar noch höher: bei 91.328 beziehungsweise 90.870.
Wie höchst unterschiedlich Wohlstand und Verzicht in dieser Stadt räumlich verteilt sind, zeigt ein Blick auf die Details. Die Schere ist an manchen Orten gefährlich weit geöffnet: Die allermeisten Menschen, die ohne Geld vom Staat ihr Leben nicht leben könnten, zählen die Statistiker im Stadtbezirk III: 17.221 sind’s in absoluten Zahlen in Essen-West, während die Hilfedichte gemessen an der Zahl der dort lebenden Bürger im Stadtbezirk V (Altenessen, Karnap, Vogelheim) am höchsten ist: Dort ist nahezu jeder vierte auf Leistungen zur Existenzsicherung angewiesen.
Ausreißer in Freisenbruch
Betrachtet man die einzelnen Stadtteile genauer, wird die Diskrepanz noch größer: Im beschaulichen Schuir etwa bekommen 24 Essener finanzielle Unterstützung. Das ist nur etwa jeder 50. Bewohner des Sprengels. 7017 Betroffene hingehen sind es in Altenessen-Süd.
Relativ gesehen schneidet allerdings das Nordviertel besonders schlecht ab: Jeder Dritte dort hat kein eigenes Einkommen. Gewisse Quartiere in Bredeney kommen auf eine verschwindend geringe Quote von ein Prozent, während der Ausreißer mitten in Freisenbruch zu finden ist: In einigen Straßenzügen gilt mehr als jeder zweite als arm. 53 Prozent sind dort nach Angaben der Statistiker auf existenzsichernde Hilfen angewiesen.
Relative Zahl der Hartz IV-Bezieher gestiegen
Bei den Minderjährigen ist die Situation noch aussichtsloser: Dreiviertel aller unter 18-Jährigen in einem Quartier des Nordviertels sind von Armut betroffen. Bezogen auf den gesamten Stadtteil sind es immerhin noch 62 Prozent, ein Wert, der auch im Stadtkern zu finden ist, während in Schuir nur ein Prozent der Gleichaltrigen Geld vom Staat bekommen muss. 2189 junge Menschen sind es hingegen in Altenessen-Süd, 4774 im Stadtbezirk III (Essen-West).
Besonders hart trifft’s die große Gruppe der Alleinerziehenden und damit deren Nachwuchs. Wie eine alarmierende Studie der Hans-Böckler-Stiftung belegt, ist Essen unter den 15 größten deutschen Städten die einzige Kommune, in der die Zahl der Menschen, die von Hartz IV oder anderen Leistungen der Grundsicherung ihr Leben bestreiten müssen, in den vergangenen fünf Jahren gemessen an der Gesamtbevölkerung gestiegen ist. Lag sie 2007 noch bei 17,7 Prozent, erreichte sie in 2011 18,1 Prozent.
Stadt Essen hat Aufgaben der Arbeitsagentur übernommen
Besorgniserregend sind dabei die Hilfequoten bei Essens Kindern. 29,9 Prozent aller unter 15-Jährigen leben in Familien, für die das Geld hinten und vorne nicht reicht. Das sind 21.526 junge Betroffene und das ist der zweithöchste Wert im gesamten Großstadt-Vergleich. Schlechter schneidet nur noch Berlin ab.
Nach Angaben des Amts für Statistik, Stadtforschung und Wahlen war der Anlass der Untersuchung, dass die Stadt Essen am 1. Januar diesen Jahres die Aufgaben der Agentur für Arbeit übernommen hat. Seitdem betreut sie in alleiniger Verantwortung Arbeitslose und Arbeitssuchende, vorübergehend Erwerbsunfähige, nicht erwerbsfähige ältere oder dauerhaft voll erwerbsgeminderte Essener sowie Asylbewerber.