Essen. . Von staatlich geprüfter Rotnasenclownin bis Kunsttherapeutin – Existenzgründerinnen müssen Kreativität beweisen. Denn mit der Geschäftsidee steht und fällt der Erfolg. Wie der Schritt in die Selbstständigkeit gelingt, zeigen drei besonders kreative Essenerinnen.

Manche Tätigkeiten machen Sinn, aber keinen Spaß, andere wiederum machen Spaß, aber wenig Sinn. Und die Antwort auf die ewige Frage, wie sich beides (beruflich) vereinbaren lässt, scheint tatsächlich: die Selbstständigkeit. Aber mit der Geschäftsidee steht und fällt der Erfolg. Dass man sich etwas anderes einfallen lassen muss als die 38. Kneipe in Rüttenscheid zu eröffnen oder ein Sonnenstudio auf Mallorca, zeigen drei besonders kreative Essenerinnen, die sich im Verband selbstständiger Frauen „Schöne Aussichten“ regelmäßig austauschen und gegenseitig unterstützen.

"Der Markt wartet nicht auf einen"

Dazu zählt auch Ricarda Bergmann, die, wie sie selbst sagt, als „schnöde Betriebswirtin“ jahrelang für die Lufthansa in Berlin und den Regionalverband Ruhr gearbeitet hat – und nun im eigenen Keller Klamotten verkauft. Dass sie einmal zu Hause eine Mode-Boutique betreiben würde, war für die 47-Jährige zuvor ebenso unvorstellbar wie in einer alten Kirche zu wohnen. Doch mit dem Umzug in das selbst umgebaute Gemäuer nur 100 Meter von ihrer alten Wohnung in Schönebeck entfernt und dem durch Kinder bedingten „Sonderurlaub“ kam das große Grübeln: „Irgendwann stellt sich jeder die Frage nach dem Sinn der Arbeit“, so die dreifache Mutter. Sich selbstständig zu machen, das sei „eine Frage von Ankommen“. Dass es ausgerechnet Mode wurde, war „purer Zufall“. In einer Annonce suchte eine dänische Textilfirma Beraterinnen, ganz nach dem „Tupperware“-Prinzip. Heute läuft das One-Woman-Unternehmen am Brausewindhang 64 „nicht nur kostendeckend“.

Damit das klappt, sollte man sich die Selbstständigkeit „gründlich überlegen“, weiß Friedrich Schreiber als Leiter des „Startercenters NRW“ bei der IHK Essen. Er rät, vorher ein Konzept auszuarbeiten, Kapital zu kalkulieren, Risiken abzuwägen und sich vor allem die Konkurrenz genauer anzuschauen, denn „der Markt wartet nicht auf einen“, so Schreiber. Generell sieht er auch weiterhin Potenzial für Existenzgründer, vor allem in Zeiten von Wirtschaftskrisen, „aber es kommt eben auf die Geschäftsidee an“.

Erkrankungen in Bildern verarbeiten

Die Idee für therapeutisches Malen kam Gabriele Schulten in den 1980ern als Studentin für Kunst und Sozialwissenschaften bestimmt nicht in den Sinn. „Anthroposophische Kunsttherapeutin“, diesen Beruf gab es damals noch gar nicht. Erst nach ihrem Studium entstand in Köln die erste staatliche Schule für Kunsttherapie, an der die 55-Jährige ihren „Traumberuf“ lernen konnte. „Ich wollte schon immer heilen“, sagt Schulten, die seit 2010 freiberuflich in ihrem Atelier an der Bredeneyer Straße Patienten ihre „Seele aufs Papier“ bringen lässt – krankenkassenfinanziert.

Auf Empfehlung von Allgemeinmediziner Gerhard Hauser, dessen Praxis gleich nebenan ist, kommen Patienten für mindestens zwölf Stunden (eine pro Woche) in ihre Kurzzeittherapie. Dabei geht es nicht um Esoterik und Waldorfpädagogik, die Schulten zwar auch an verschiedenen Schulen lehrt, sondern um Menschen, die ihre schweren psychischen oder physischen Erkrankungen in Bildern verarbeiten sollen. Was die mal dunkel-, mal mittel- oder hellgrauen Facetten der Kohlearbeiten über das Innerste verraten, lässt Schulten ihre Zeichner in ihren Sitzungen erschließen. Und während diese noch auf der Selbstsuche sind, hat die 55-Jährige damit „ihre Berufung“ gefunden.

Frauen sind bei Existenzgründung vorsichtiger als Männer 

Kristina Mohr, 45 Jahre alt, hat dafür nicht mehr Zeit, sondern mehr Persönlichkeiten gebraucht: Ihre Produktpalette besteht nach sieben Jahren beruflicher Selbstfindung aus einer Saxofonistin, einer staatlich geprüften Clownin und der komischen Figur „Emmi“. Zwischendurch habe sie noch Psychologie studiert, aber Couchgespräche waren nichts für die gebürtige Hamburgerin. „Ich konnte immer gut reden und oft unangemessen peinlich sein“, so Mohr, „jetzt kann ich beides ausleben.“ Eine Anzeige („Entdecke den Clown in dir“) hatte sie auf die Idee gebracht, heute arbeitet sie – wahlweise mit Saxofon – als staatlich geprüfte Rotnasenclownin in Kindertagesstätten und auf Festen.

Friedrich Schreiber bestätigt, dass sich vermehrt Frauen für Existenzgründung interessieren, „sie sind im Schnitt älter als Männer und gehen finanziell vorsichtiger vor“, so sein Eindruck. Wirtschaftlich ist der Job als Clownin für Kristina Mohr nicht, aber sie hat ihren Traumjob: „Sinnvollen Unsinn machen.“

„Schöne Aussichten“ für selbstständige Frauen

„Schöne Aussichten“ ist ein Verband selbstständiger Frauen, der den Erfahrungsaustausch und die Kooperation zwischen Unternehmerinnen fördert.

„Mitfrauen“ des Vereins engagieren sich auf regionaler und Bundesebene in Politik und Gesellschaft und in verschiedenen öffentlichen Gremien.

Regelmäßig gibt es Netzwerkabende und Vorträge vom Regionalverband Ruhrgebiet, zu denen Gäste willkommen sind.

Informationen dazu gibt es im Netz auf www.schoene-aussichten.de oder unter 4 69 20 750.

Jeden ersten Donnerstag: IHK-Seminar Existenzgründung

Das Startercenter NRW der Industrie- und Handelskammer (IHK) Essen bietet jeden ersten Donnerstag im Monat einen Info-Nachmittag zur Existenzgründung.

Der Workshop vermittelt Informationen an Menschen, die sich selbstständig machen wollen.

Themen sind das Erstellen ei­nes Unternehmenskonzepts, die Gewerbeanmeldung und Steuern.

Die Veranstaltungen sind kostenlos, um eine Anmeldung wird gebeten: 18 92 229.

In diesem Jahr verzeichnet das Startercenter erstmals einen höheren Frauenanteil in Existenzgründer-Seminaren.