Essen. In Zeiten von legalen Downloadbörsen im Internet besetzen Essens Plattenläden mit CD und Vinyl nur eine Nische. Gegen den Trend öffnete in der City nun Filialist „Andrä“.

Dirk Andrä passt so gar nicht zum Klischee des Second-Hand-Plattenverkäufers: modernes Brillengestell, Feincordhose, Hemd mit Kragen. Auch sein am vergangenen Donnerstag eröffneter Laden hat nichts mit dem schummerigen Äußeren mancher Konkurrenz-Geschäfte gemein. Er ist gut beleuchtet, sauber, ordentlich – nichts deutet darauf hin, dass hier gebrauchte CDs, Schallplatten, DVDs und Computerspiele über den Tresen gehen. Sie werden in neuer Hülle und notfalls poliert verkauft. Für Andrä ist das Geschäft an der Limbecker Straße 20 die vierte Filiale – und Teil eines Expansionskurses. Obwohl der Handel mit Musik, Filmen und Games durchs Internet ins Hintertreffen geraten ist, setzt Andrä auf Schnäppchenjäger und Raritäten-Sammler.

Vor mehr als 25 Jahren hatte er nach dem Abitur mit einem CD-Verleih begonnen. „Das war rechtlich Mitte der 90er nicht mehr möglich“, beschreibt er den Weg in den An- und Verkauf von Medien. Über den „guten Standort“ in Essen freut er sich und resümiert die leidvolle Geschichte manches Spezialgeschäftes.

Ohne Amazon geht es nicht

Das für seine Multimedia-Abteilung bekannte Kaufhaus Müller: dicht, „Karstadt Höle“: dicht. Geblieben sind die großen Ketten wie Media-Markt, Saturn, Thalia, die Mayersche und Weltbild. „Es gibt noch genügend Sammler und Filminteressierte, die eine CD oder DVD im Regal stehen haben wollen“, meint Andrä optimistisch. Manchen böten die vollen Regale mit 50.000 Titeln auch Inspiration. „Viele Kunden wissen vorher nicht, was sie haben wollen.“

Und das Internet? Darüber geht doch Bestellung von neuen wie gebrauchten Schätzen auch? Ebenso die Inspiration. Man denke nur an den Satz: „Kunden, die dies kauften, kauften auch das.“ Das räumt Andrä ein. Auch er bietet seine Ware auf Amazon an, aber „die Umsätze darüber machen bei uns nur einen kleinen Teil aus.“ Ohne den Internet-Riesen scheint es dennoch nicht zu gehen: „Wir orientieren uns als Preisreferenz sowohl beim Ankauf als auch beim Verkauf daran.“ Bloß darunter will man preislich sein, damit sich der Weg ins Geschäft lohnt. Als Pluspunkt sieht Andrä auch die Beratung.

Andrä achtet auf fachkundiges Personal

Neue Mitarbeiter bekommen Tests mit Fragen à la „Wie heißen die vier Mitglieder der Beatles?“ oder „Nennen Sie eine Hardrock-Band aus den 70ern“. So will der Chef sicherstellen, dass zum Verkaufstalent Fachwissen hinzukommt. Überzeugte Platten-Freundin ist etwa Mitarbeiterin Nadine, sie war früher Auszubildende in der Multimedia-Abteilung von Müller. „Ich brauch’ die Scheibe“, sagt sie überzeugend.

Die Welt ist eine Vinyl-Scheibe

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    Das hat für sie nicht nur etwas mit dem in die Hand nehmen des Booklets oder der Platte an sich zu tun: „Ich hatte letztens einen Virus auf dem PC, danach war vieles futsch.“ Auch zu Pflege und Aufbewahrung der CDs gibt die Mitarbeiterin Tipps. Sie empfiehlt einen trockenen, schattigen Platz, damit die Silberlinge gut in Schuss bleiben.

    "Das Internet versaut die Preise"

    Weniger optimistisch als Dirk Andrä bewertet Götz Dreßler von „Telök“ am Flachsmarkt die Lage. Er mache den „Löwenanteil“ seines Geschäfts über das Internet. Laufkunden verirrten sich selten in den zweistöckigen Laden, der noch die „typische Romantik“ versprüht, wie er es nennt. Seine Zielgruppe grenzt er auf das Alter zwischen Mitte 30 und Mitte 50 ein: „Die haben noch eine Beziehung dazu, sind damit groß geworden.“ Vereinzelte jüngere Kunden hätten „Erbschäden“ von den Eltern, scherzt er. „Das Internet vergrößert zwar die weltweite Reichweite, aber es versaut die Preise und verringert das Ladenpublikum.“

    Wiederum anders sieht es Jürgen Krause vom „RockStore“ nahe des Steeler Grendplatzes: „Gehen Sie mal in ein HiFi-Geschäft, da stehen mittlerweile wieder etliche Schallplatten-Spieler.“ Er verkauft keine gebrauchten Scheiben, hat sich auf Rock-Neuheiten abseits des Mainstreams spezialisiert. An den Sieg des Internethandels glaubt er nicht: „Der Briefmarken-Sammler verzichtet ja auch nicht auf seine Schätzchen und schaut sie sich nur noch am Bildschirm an.“