Rüttenscheid. . Michael Stahl hat vor kurzem den Plattenladen „Unrock“ an der Klarastraße eröffnet. Im Hinterzimmer wird er künftig regelmäßig intime Konzerte mit internationalen Solo-Künstlern abseits des Mainstream veranstalten.

Nicht allzu fern scheint der Tag, an dem die CD zu Grabe getragen wird, und selbst Formate wie MP3 und MP4 sind sicher nicht der neueste Stand der Technik in Sachen Musikspeicherung. Wer aber glaubt, die gute, alte Vinylplatte habe keine Zukunft, wird in der Diskussion mit Michael Stahl einen schweren Stand haben. Der 52-Jährige ist von der Existenzberechtigung der Vinylscheibe völlig überzeugt - und hat deshalb vor kurzem einen Schallplatten(!)-Laden an der Klarastraße eröffnet.

„Das ,Unrock’ ist nicht nur ein Laden“, sagt der gebürtige Rheinländer, der derzeit noch täglich von Krefeld nach Essen pendelt, aber in Rüttenscheid und Umgebung eine kleine Wohnung sucht, um dort endgültig Wurzeln zu schlagen. „Ich werde in Zukunft regelmäßig kleine, intime Konzerte im Hinterzimmer, sogenannte Instore Gigs, veranstalten, mit professionellen, internationalen Künstlern, die abseits vom Mainstream agieren.“

Schon viele Jahre ist Stahl im „Musikzirkus“, wie er es nennt, zu Hause, hat unter anderem als freier Promoter und Tour-Fahrer gearbeitet und dementsprechend gute Kontakte in der Szene aufgebaut. „Ich war viele Jahre in Indien und Indonesien. Als ich zurückkam, haben mich Freunde mit der Musikbranche in Verbindung gebracht“, sagt der Vater von zwei erwachsenen Töchtern. In den 1990er Jahren gründete Stahl einen Versandhandel für Importplatten, betreibt seit Jahren einen „Unrock“-Laden in Krefeld. „Ich wollte aber mal in eine größere Stadt. Berlin kam für mich nicht in Frage, wohl aber Köln, wo es bereits eine ausgeprägte Subkultur gibt, und Essen, das für mich irgendwie geografischer Mittelpunkt des Ruhrgebiets mit sympathischer Ausstrahlung, aber auch eine Art schlafender Riese ist“, begründet Stahl seine Standortwahl. „Vinyl ist gerade auch bei jungen Leuten ein echter Trend. Die CD wird verschwinden, bevor die Schallplatte verschwindet“, prophezeit Stahl und erzählt von Leuten, die sich zu Weihnachten einen Plattenspieler geschenkt hätten und es als besonderes Erlebnis schätzten, abends zum Glas Wein ganz bewusst eine Schallplatte aufzulegen, statt nebenbei eine CD zu hören. „Das hat, zumindest gefühlt, eine ganz andere Qualität“, findet Stahl, der sich ganz bewusst eine Nische ausgesucht hat und sich so ein Stammpublikum aufbauen will. „Ich habe mich auf experimentelle Musik, auf Avantgarde spezialisiert, und auf den Bereich, wo sich Rock und Jazz treffen“, versucht er die Musikrichtung zu beschreiben, der die Mehrzahl der rund 1500 Platten im Laden zuzuordnen ist. „Ich selbst kann mich mit Stockhausen, mit Formlosem, beschäftigen.“ Was nicht heißt, dass er nicht auch mal eine populäre Platte bestellt, die jemand einfach toll findet, aus sentimentalen Gründen oder warum auch immer.

„Ein Kulturverein ist gerade in Gründung, um vielleicht auch Fördergelder beantragen zu können“, erklärt Stahl. Für die Instore Gigs räumt er das Hinterzimmer frei, so dass 40 Leute dort Platz finden. Der Eintritt ist frei, Stahl geht am Ende mit dem Hut ‘rum. In seinem Laden in Krefeld nimmt er dagegen Eintritt, „so dass es für die Finanzierung praktisch wäre, wenn die Künstler an zwei aufeinander folgenden Tagen dort und hier in Rüttenscheid auftreten könnten“. Und noch einen Wunsch hat er: ein geeigneter Raum, ein Haus oder Club, wo man Konzerte im größeren Stil aufziehen könnte.