Essen. . Schausteller-Präsident Albert Ritter fordert den Kirmesplatz am Thurmfeld. Und wettert gegen EWG und IHK.
„Keinesfalls darf sich dieses Gelände als Kirmeswiese in den Köpfen festsetzen. Die Stadt wäre töricht, wenn sie solche Flächen nicht anders nutzt.“ Bei Sätzen wie diesen von Dietmar Düdden, Chef beim Essener Wirtschaftsförderer EWG, kommt Albert Ritter „die Galle hoch“. Denn Platz für ein Forschungsinstitut sieht er, anders als Düdden, am Thurmfeld nicht.
Und so ist es kein Wunder, dass der bekannteste Schausteller Essens, Präsident des Deutschen Schaustellerverbands, bei dessen Jahresempfang nun kräftig ausholte. „Wenn es töricht ist, daran zu glauben, dass es in einer Stadt Kinderlachen geben muss, dass sich ein Karussell drehen und man Spaß haben, es einen Weihnachtsmarkt und einen Platz dafür geben muss – jawohl, dann bin ich töricht.“ Dafür gibt’s Applaus; mancher Politiker, auch vom Viererbündnis, klatscht mit.
„Verdrängt und herabgewertet“
Ritter beklagt, dass „die törichten Schausteller eine Diaspora, eine Wanderung in dieser Stadt hinter sich haben“. Verdrängt worden seien sie von ihrem angestammten Platz im Schatten der Doms, wo sie einst zu Ehren der Stadtheiligen Cosmas und Damian gastierten, erstmals im Zweiten Weltkrieg. „Ihr könnt hier nicht mehr hin“, habe es danach geheißen. Was folgte, waren Jahre des Wanderns durch die Stadt. Albert Ritter zählt die Plätze auf, an die man ihn und seine Zunft Jahr für Jahr verlagert habe. Und fordert von Politik und EWG eine Kehrtwende, denn „Kirmes ist die Philharmonie des kleinen Mannes“.
Zur Seite springt ihm Marc Heistermann, Chef beim Einzelhandelsverband Ruhr, der sich über die Art und Weise, wie übers Thurmfeldareal geredet wird, sehr wundere: „Natürlich muss in einer Stadt, in der Flächen knapper werden, offen über ihre Verwendung geredet werden. Zirkus und Kirmes dürfen dabei aber nicht zu einer Nutzung zweiter Klasse herabgewertet werden.“
"Unbestritten, Wissenschaft ist wichtig."
Ohne die EWG beim Namen zu nennen, kritisiert er deren Vorgehen: „Unbestritten, Wissenschaft ist wichtig. Volksfeste sind’s aber auch. Ein Teil des Geländes als Kirmes zu nutzen, ist keinesfalls als Verschleuderung anzusehen.“ Kirmes sei ein wichtiges Kulturgut. Bezogen auf die Besucherzahl würden Volksfeste das bedeutendste Angebot der Freizeitwirtschaft darstellen. „Sie haben mehr Besucher als der öffentliche Kulturbetrieb mit Festspielen, Theatern, Oper, Musikschulen und Bibliotheken“, so Heistermann. In eine Stadt, die sich im Strategieprozesses „Essen.2030“ auf die Fahnen schreibe, attraktiver werden zu wollen, „muss in alle Richtungen gedacht werden“.
Das Engagement der Schaustellern habe dazu beigetragen, allein vergangenes Jahr mehr als fünf Millionen Besucher in die Innenstadt zu locken. Heistermann: „Ohne Essens Schausteller wären Weihnachtsmärkte in der heutigen Form undenkbar.“ Die Stadt liegt mit den Besucherzahlen hinter Düsseldorf auf Platz zwei „und hat damit ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht nur fürs Image der Stadt gut ist. Es ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor“, so Heistermann. Dass die Schausteller jährlich eine Million Euro an die Essen Marketing GmbH zahlen müssen, „damit sie auf dem Weihnachtsmarkt überhaupt aufbauen dürfen“, ergänzt Albert Ritter und fragt: „Ist das keine Wirtschaftskraft?“
Industrie- und Handelskammer hält wenig vom Kirmesplatz
Scheinbar nicht. Denn auch die Industrie- und Handelskammer zu Essen hält vom Kirmesplatz am Thurmfeld wenig und begrüßt den Vorschlag der EWG. Eine Forschungseinrichtung in der Nähe der Universität anzusiedeln, „wäre für die Entwicklung der Stadt vielversprechend und sollte weiter verfolgt werden“, so Hauptgeschäftsführer Gerald Püchel. Damit würden „hoch qualifizierte Fachkräfte angezogen und das Profil der Stadt als Wissenschaftsstandort gestärkt“.
Dass Püchel sich in der Presse dazu äußert, im Vorfeld aber kein Gespräch mit den Schaustellern sucht, die Pflichtmitglieder der IHK sind, ärgert Albert Ritter. „Die IHK vertritt die Interessen der Schausteller nicht im Geringsten; Unsere Beiträge will sie dennoch haben.“ Ob und wie es auf dem Thurmfeld weitergeht, entscheidet die Politik. Beim Empfang diskutierten Vertreter aller Fraktionen – bis auf die der Linken – mit Albert Ritter über den Rummel ums Thurmfeld.
Der Deutsche Schaustellerbund
Wir machen Freizeit zum Vergnügen“, ist das Motto des Deutschen Schaustellerbunds (DSB), dessen Präsident ein Essener ist: Albert Ritter (Gastronomiebetrieb Armer Ritter). Der Bund, zu dessen Mitgliedern der Schaustellerverband Essen gehört, wurde 1950 gegründet und zählt heute mehr als 4.200 Einzelmitglieder aus 90 unabhängigen Schaustellervereinen bundesweit.