Die Jahrestagung des Schaustellerverbands ist schon zu normalen Zeiten ein Pflichttermin für Politiker. Das gilt erst recht in diesen Tagen, da es um die Frage geht, ob die Stadt auf dem Thurmfeld hinter der Universität einen neuen Kirmesplatz baut oder davon lieber die Finger lassen sollte, wie die Essener Wirtschaftsförderung eindringlich rät. Vor allem die SPD positionierte sich gestern auf WAZ-Anfrage überraschend klar: „Ich meine, die Kirmes gehört in die Innenstadt“, so Ratsfraktionschef Rainer Marschan.
Obwohl Marschan formell noch die Ergebnisse eines Prüfauftrags der Stadtverwaltung für das Thurmfeld abwarten will, scheint damit das Thema fast schon vom Tisch. Denn auch das Viererbündnis aus CDU, FDP, Grünen und EBB, das im Rat eine knappe Mehrheit hat, ist beim Thurmfeld uneins. „Wir sollten jetzt einen Standort finden, der gut erreichbar und der von Dauer ist“, sagt EBB-Ratsherr Karlgeorg Krüger, „und das kann nur die Innenstadt sein“. Selbst wenn die Wirtschaftsförderung für das Thurmfeld nicht sofort eine Nutzung als Wissenschaftsstandort finde, so sei das mittelfristig doch zu erwarten. „Und dann fangen wir wieder von vorne an“, so Krüger gestern zur WAZ.
Willy-Brandt-Platz, Kettwiger Straße, Burgplatz und Kennedyplatz – laut den Befürwortern einer City-Kirmes könnten sich Fahrgeschäfte und Buden hier aneinanderreihen. Zu beachten ist allerdings, dass die Kirmes in der Innenstadt nicht gerade ein Lieblingskind des Einzelhandels ist und die Schausteller zudem auf technische Probleme verweisen. Wegen der Tiefgaragen und U-Bahntunnel gelten Kennedyplatz und auch Brandt-Platz als nur begrenzt belastbar, wenn es um das Aufstellen von schweren Fahrgeschäften mit der ihnen eigenen Rotationsenergie geht. „Das muss natürlich geprüft werden, ich denke aber schon, dass Lösungen möglich sind“, sagte Marschan der WAZ. Der Einzelhandel wiederum sieht es nicht so gerne, wenn vergnügungs- und nicht kauforientierte Menschenmassen die Innenstadt bevölkern. Marc Heistermann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands, verwies in seinem Grußwort aber auch auf die Tradition, die Besucherzahlen und die Umsätze der Schausteller. Diese lägen deutlich höher als bei allen „klassischen“ Essener Kulturanbietern zusammen. Für Heistermann gute Gründe, sich zum Neubau des Kirmesplatzes auf dem Thurmfeld zu bekennen.
So klar ist unter den Fraktionen nur die FDP für das Anliegen zu gewinnen. Die CDU verhielt sich am Freitag abwartend, die Grünen sind offenbar eher dagegen, eine der letzten großen Gewerbeflächen in Essen für den Kirmesplatz zu nutzen. Albert Ritter, der wortmächtige Vorsitzende der Essener Schausteller, musste da schon selbst ran.