Essen. . Der SEK-Einsatz am Donnerstagmorgen ändert an der Tatsache nichts: Vom in Duisburg, Oberhausen und anderen Städten tobenden „Rocker-Krieg“ ist in Essen, wo die Bandidos Monopolisten sind, nichts zu spüren. In der Stadt steht im nächsten Monat das jährliche Fat Mexican City-Run Meeting an. Die Szenerie ist friedlich. Warum eigentlich?
Menschen in Duisburg oder Oberhausen dürften sich über diese Nachricht verwundert die Augen reiben: Während sich rivalisierende Motorrad-Clubs in Nachbarstädten Kugeln um die Ohren jagen, bereiten sich die Bandidos in Essen stattdessen lieber so langsam auf ihr alljährliches Fat Mexican City-Run Meeting rund um ihr Vereinsheim im April vor. Ein Programm-Punkt dabei: Kinderschminken. Bislang ist die Welle der Gewalt im Rocker-Krieg an Rhein und Ruhr nicht nach Essen geschwappt. Daran ändert auch der SEK-Einsatz vom Donnerstagmorgen nichts. In der Stadt ist es rund um die Bandidos ruhig. Warum eigentlich?
Die Polizei
„Es gibt in Essen keinen Konkurrenzkampf“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender, „wir haben keine Erkenntnisse darüber, dass sich andere Clubs in Essen breit machen wollen.“ Allerdings hänge die ruhige Lage nicht damit zusammen, dass es sich bei den hiesigen Bandidos um ein harmloses Grüppchen von Motorradschraubern handelt. Im Gegenteil: Auch in Essen seien die Rocker in den „klassischen Geschäftsbereichen“ aktiv - Dominanz in der Türsteherszene, Waffen- und Drogenhandel, Prostitution. Über Details ihrer Arbeit in diesem Milieu spricht die Polizei nicht gern: „Aber unsere Maßnahmen greifen und funktionieren und laufen nach wie vor.“ Die letzte größere „Lage“ erlebte die Polizei in Essen im Februar des vergangenen Jahres: Da wurden bei einer Messerstecherei im Rotlichtviertel an der Stahlstraße mehrere Supporter der Bandidos verletzt. Seitdem ist es friedlich.
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Rund um das Vereinsheim haben sich die Bandidos offenbar gut eingelebt, berichtet Faßbender: „Fragen Sie mal die Anwohner. Die sind zufrieden, dass die da sind. Das äußere Image, das die sich geben, scheint zu funktionieren.“ Die Bandidos selbst profitierten von der Ruhe in Essen: „Wenn die Polizei den Druck erhöht, leiden die Geschäfte.“
Der Experte
Ein paar Kilometer weiter westlich sieht die Lage ganz anders aus: „In Duisburg verläuft die Konfliktlinie“, sagt Thomas Jungbluth, Leiter Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt. Dort und auch in Oberhausen lieferten sich die rivalisierenden Clubs Hells Angels, Satudarah und die Bandidos in jüngster Zeit teils blutige Auseinandersetzungen. „In Essen scheint der Markt abgesteckt zu sein“, sagt Jungbluth, „andere etablieren sich nur da, wo es sich lohnt.“ In der Stadt sind die Bandidos seit langem Monopolisten, das Charter der Hells Angels hat sich vor mehreren Jahren aufgelöst. Jungbluth, der ausdrücklich auch die enge Zusammenarbeit von Kommune und Polizei in Essen lobt, betont aber auch den Charakter der „Momentaufnahme“ dieser Analyse. Das könne sich auch schnell wieder ändern: „Keiner kann sagen, wie lange das anhält. Die Szene ist sehr in Unruhe.“
Der Anwalt
In seiner Kanzlei kann sich Volker Schröder derzeit beruhigt zurücklehnen: Auch der Anwalt, der die Essener Bandidos in vielen Fragen vertritt, sieht derzeit „nicht das geringste Anzeichen“ dafür, dass andere Motorrad-Clubs Ansprüche auf Essener Terrain erheben könnten. Schröder nutzt die Gelegenheit auch, um eine Lanze zu brechen: Die meisten seiner Mandanten gingen geregelten Berufen nach und betrieben das Dasein im Club als Hobby. Schröder ist der einzige, der Zahlen nennt: Etwa 30 Mitglieder zählen zum Kern des örtlichen Bandido-Chapters, hinzu kommen etwa 70 weitere, die in diversen Supporter-Clubs organisiert sind. Das Fat Mexican City-Run Meeting dürften sie in ihrem Termin-Kalender bereits dick unterstrichen haben.
Das Meeting
Die Stadt Essen hat die Verantwortlichen des Meetings angeschrieben. Bis Freitag sollen sie erklären, was sie an dem Tag genau vorhaben. Erste Details sind einem Plakat im Internet zu entnehmen: Biker-Brunch und Biker-Check wird es am 14. April ab 10 Uhr rund um das Vereinsheim an der Wüstenhöferstraße geben, Kaffee und Kuchen, Musik und besagtes Kinderschminken. Aus eigenem Antrieb werden die Bandidos wie in den vergangenen Jahren wohl wieder auf den Korso mit dutzenden Motorrädern verzichten: Eine solche „Machtdemonstration“, so nennt es Sprecher Faßbender, hätte ihnen die Polizei ohnehin nicht erlaubt. Rot und Gelb, die Farben der Bandidos, werden an dem Tag rund um das Vereinsheim leuchten. Mit einem starken Gegengewicht: dem Blau der Polizei. Laut soll es in der Essener Szene nur durch die schweren Maschinen werden.