Essen. Mit 16 erkrankte Daniel Schlenter an paranoider Schizophrenie. Stabilität und eine Zukunftsperspektive fand er im Haus Trialog, einer therapeutischen Wohngruppe für psychisch kranke Jugendliche.

Die Krankheit kam aus dem Nichts. Und sie veränderte Daniel Schlenters Leben unwiderruflich. „Paranoide Schizophrenie“ lautete die Diagnose, als er vor sieben Jahren das erste Mal in der Psychiatrie landete. „Ausgerechnet zur Fußball-WM lag ich total zugedröhnt im Krankenhaus“, erinnert sich der 21-Jährige. Nach sechs Wochen war er soweit stabilisiert, dass er entlassen werden konnte. Zwei Jahre später kam der nächste Krankheitsschub, dann, mit 19, der dritte. Diesmal musste der junge Mann sechs Monate in der Klinik bleiben, „da wurde ich dann komplett aus meinem bisherigen Leben katapultiert“. An die Zeit in der Psychiatrie will er sich nicht erinnern, mag nicht darüber sprechen.

Eltern fühlen sich schuldig

Zwischen den Schüben fiel er ins Bodenlose. Außer Medikamenten und einem monatlichen Gespräch beim behandelnden Psychiater gab es keine echte Therapie für den jungen Mann. Das änderte sich erst, als er vor zwei Jahren in das Haus Trialog der Eggers-Stiftung kam. Im Museumsviertel gelegen, bietet dieses in Deutschland einmalige Wohnprojekt Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Psychosen eine Startchance für ein selbstbestimmtes Leben. In der Einrichtung leben konstant acht Bewohner für jeweils zwei Jahre, die intensiv und individuell gefördert werden: Auf jeden Jugendlichen in der Wohngruppe kommt ein Betreuer.

„Gruppen-, Einzel- und Entspannungstherapie, soziales Kompetenztraining, Ergotherapie, dazu Sport und Musiktherapie“, zählt die Psychotherapeutin Amrei Seroka den therapeutischen Wochenplan der Bewohner auf. Zum Konzept gehört auch, die Eltern mit in die Therapie einzubeziehen. „Sie sind oft hilflos, haben große Schuldgefühle“ sagt Seroka.

Man will fliegen, kommt aber nicht vom Boden hoch

So wie Brigitte Gruske. Ihre Tochter Anika (22) lebt seit einem Jahr im Haus Trialog. „Ein gutes Jahr“, sagt die Mutter. Zwangsstörungen, Zwangsgedanken, Halluzinationen, Ängste, Antriebsarmut und euphorische Zustände quälten die Tochter seit ihrer Pubertät. „Mein Kind will immer fliegen wie ein Schmetterling, kommt aber nicht vom Boden hoch.“ Psychiatrie- und Tagesklinik-Aufenthalte wechselten sich ab, doch nirgendwo hielt Anika es lange aus.

Neben dem Durchhaltewillen sah sie lange Zeit nicht ein, dass sie krank ist. Zuletzt hat sie das Elternhaus nicht mehr verlassen, lag nur noch apathisch im Bett, konnte nicht alleine sein. Erst in der Wohngruppe lernte sie langsam, mit ihrer Krankheit umzugehen, sich selbst einzuschätzen. Und sie schaffte es, ihren Tagesablauf zu strukturieren und Vereinbarungen einzuhalten.

Dazu gehört auch der Schulbesuch: nicht in einer öffentlichen Schule, sondern, und auch das ist deutschlandweit einzigartig, in einem eigens von der Eggers-Stiftung und der Volkshochschule konzipierten Kurs für Jugendliche mit psychischer Erkrankung. „Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass meine Tochter auf einem guten Weg ist“, sagt Brigitte Gruske.

„Endlich wieder eine Zukunftsperspektive“

Einen Weg, der Daniel Schlenter inzwischen in eine Ausbildung geführt hat. Seit Herbst vergangenen Jahres lernt er bei der Jugendhilfe Essen den Beruf des Lageristen. Und er hat, nach zwei Jahren, Trialog verlassen, ist in seine erste eigene Wohnung gezogen. Dort wird er weiter betreut, allerdings nur noch acht Stunden in der Woche.

„Ich habe endlich wieder eine Zukunftsperspektive“, sagt er. Dass er zeit seines Lebens mit der Krankheit umgehen muss, weiß er. Aber die Diagnose hat ihren Schrecken verloren. „Heute kann ich mich selbst viel besser einschätzen. Außerdem kenne ich die Warnsignale und weiß, wie ich reagieren muss.“