Über 160 Betten verfügt die Facheinrichtung für Alterspsychiatrie Haus St. Augustinus. Rund zwei Drittel der Patienten leiden unter einer Depression oder Schizophrenie. Das restliche Drittel der Bewohner ist nach einer Suchterkrankung in das Haus gekommen. „Unsere Bedingung bei der Aufnahme ist, dass die neuen Bewohner die Entgiftung schon hinter sich haben“, sagt Pflegedienstleiter Klaus Sander.
Die Regeln sind strikt: Kein Alkohol. Wer auffällig wird, muss abends zum Alko-Test antreten. Doch nicht nur die Kontrolle des Suchtverhaltens verursacht einen höheren Betreuungsaufwand. Setzt der Suchtdruck ein, kreist das Denken um Alkohol. Die Beziehung zum Pflegepersonal wird unwichtig. Nicht selten handelt es sich um Menschen, die nach jahrelangem Trinken am Korsakow-Syndrom leiden, organische Schäden davon getragen haben. „Es ist wichtig, das Personal speziell zu schulen“, sagt Sander. Und dabei spielen auch trockene Alkoholiker wie Heidemarie Rosin eine wichtige Rolle. „Als ich in Seminaren dem Pflegepersonal erzählt habe, wie ein Alkoholiker tickt, wie man die Sucht bemerkt, wie sie den Menschen bestimmt, waren viele betroffen, weil sie in ihrem Umfeld selbst suchtkranke Personen haben und in den Seminaren das Ausmaß der Krankheit begriffen haben.“
Doch nicht nur in den Seminaren engagiert sich die 69-jährige Hausfrau. „Ich bin seit fünf Jahren beim Suchtnotruf.“ Nicht ohne Stolz erzählt sie, dass sie in dieser Zeit 3600 Einsatzstunden geleistet hat. „Wenn man einem Menschen etwas wegnimmt, muss man ihm einen Ersatz bieten.“ Rosin entdeckte die VHS für sich, „da habe ich vier Jahre lang italienisch gelernt und zwei Computerkurse gemacht“ und sie bekam Kontakt zu den „Blauen Engeln“, die Menschen auf ihrem Weg aus der Sucht und darüber hinaus begleiten. Woher sie die Kraft nimmt, immer wieder mit dem eigenen Schicksal konfrontiert zu werden, offen darüber zu sprechen? „Ich gehe zur Selbsthilfegruppe, das ist meine Lebensversicherung.“