Essen. . Die Polizei hat am Morgen Büros der Stadtwerke in Rüttenscheid und Altenessen durchsucht. Anlass der Razzia war der Vorwurf von Preisabsprachen bei Kanalbauaufträgen. Drei Haftbefehle gegen zwei Firmenchefs und einen Bauleiter der Stadtwerke wurden vollstreckt.

Ein Kartell von 14 Tiefbaufirmen soll die Stadtwerke bei Kanalbauarbeiten um mindestens vier Millionen Euro betrogen haben. Das hat die Ermittlungsgruppe „Kanal“ der Essener Polizei über Monate ermittelt - mit Hilfe eines kleinen Kreises von Eingeweihten in der Stadtwerke-Spitze. Vorläufiger Höhepunkt der Ermittlungen: Gestern durchsuchten Polizisten bei einer Razzia 38 Wohnungen und Büros, darunter auch Büros der Stadtwerke an der Rüttenscheider Straße und in Altenessen.

Weiter e Durchsuchungen gab es in Mülheim, Gelsenkirchen, Bottrop, Recklinghausen, Oberhausen, Bochum und Borken.Die Beamten vollstreckten Haftbefehle gegen einen Bauleiter der Stadtwerke und zwei Firmenchefs.. Sie sitzen in Untersuchungshaft.

Kernvorwurf der Ermittlungen; „Leitende Mitarbeiter und Bauleiter“ der Stadtwerke sollen bei der Vergabe und Abwicklung von Kanalbau-Aufträgen mit Tiefbaufirmen gemeinsame Sache gemacht haben. Die Firmen sollen bereits in der Planungsphase über interne Preiskalkulationen informiert worden sein, konnten so ihre Angebote passgenau zuschneiden und in verschiedenen Positionen zusätzliche Gewinne verstecken. Die Schadens-Schätzung von vier Millionen Euro betrifft nur die untersuchten Aufträge aus den Jahren 2010 und 2011, sagt Oberstaatsanwalt Willi Kassenböhmer: „Weitere Ermittlungen müssen jetzt ergeben, wie weit die Preisabsprachen zurück reichen.“ Die Stadtwerke Essen vergeben jedes Jahr Kanalbauaufträge in einer Größenordnung von rund 30 Millionen Euro, sagt ihr Sprecher Dirk Pomplun.

Weitere Ermittlungen

Auf die Spur des Kartells gekommen waren die Fahnder auf dem Umweg über ein Verfahren wegen des Anfangsverdachts der Geldwäsche gegen ein nicht in Essen ansässiges Unternehmen. Mehr will die Polizei dazu nicht sagen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Die Stadtwerke-Vorstände Bernhard Görgens und Dietmar Bückemeyer waren seit dem Sommer über die Ermittlungen der EK „Kanal“ informiert und haben sie „Äußerst kooperativ“ unterstützt, lobt Oberstaatsanwalt Kassenböhmer. Görgens sagt dazu: „Wir haben die Ermittlungen umfänglich unterstützt, um die Umstände, die unser Haus betreffen, vorbehaltlos und vollständig aufzuklären.“

Die weiteren Ermittlungen müssen jetzt zeigen, wer bei den Stadtwerken noch in die Preisabsprachen verwickelt sind. Erste Vernehmungen haben schon stattgefunden. Stadtwerke-Sprecher Pomplun ist sicher: „Neben dem verhafteten Bauleiter werden das nur ganz wenige Leute sein.“

Stadtwerke-Spitze war seit Sommer 2012 informiert über die Ermittlungen  

Für einen kleinen Kreis von Eingeweihten in der Stadtwerke-Spitze ging mit der Razzia gegen das Kanal-Kartell eine schwierige Zeit zu Ende. Seit dem Sommer wussten sie von den Ermittlungen gegen 14 Firmen, davon 10 aus Essen, die das Unternehmen mit illegalen Preisabsprachen um Millionen geprellt haben - und mussten doch die Füße still halten, um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden- Stadtwerke-Sprecher Dirk Pomplun berichtet von einem „schwierigen Spagat, alle Maßnahmen weiter laufen zu lassen und gleichzeitig weiteren Schaden vom Unternehmen abzuwenden“. Und gibt zu. „Wir mussten, damit es nicht auffällt, schon mal die Zähne zusammen beißen.“

Die Ermittler der „EK Kanal“ hatten im Sommer den Kontakt zur Stadtwerke-Spitze gesucht, weil einige Ergebnisse ihrer Ermittlungen nicht so recht einsortieren konnten. „Das sind ja Kriminalisten und keine Ingenieure“, sagt Pomplun. Also haben sich die Stadtwerke-Vorstände gemeinsam mit den Ermittlern über die Akten von Kanalbaumaßnahmen gebeugt. Am Ende kam so viel Belastungsmaterial zusammen, dass es reichte für einen Haftbefehl gegen einen Bauleiter der Stadtwerke und zwei Firmenchefs. In die weiteren Ermittlungen haben die Fahnder das Kartellamt eingeschaltet. Geklärt werden muss unter anderem, wer noch bei den Stadtwerken in die Absprachen verwickelt war.

Stopp von Auftragsvergaben an die 14 unter Verdacht stehenden Firmen

„Selbstverständlich werden wir sämtliche uns entstandenen Schäden geltend machen“, sagt Vorstandschef Bernhard Görgens unmittelbar nach der Razzia. Sein Vorstandskollege Dietmar Bückemeyer kündigt „alle notwendigen externen und internen Konsequenzen“ an. Dazu gehört auch der sofortige Stopp von Auftragsvergaben an die 14 unter Verdacht stehenden Firmen. Das könnte auch dazu führen, dass bereits vergebene Aufträge neu ausgeschrieben werden.

Den Auftragsstopp betrachtet Pomplun mit gemischten Gefühlen. „Es war immer unsere Politik, Aufträge möglichst in unser direktes Umfeld zu vergeben. Rund 80 Prozent unserer Aufträge gehen nach Essen und Umgebung. An den Firmen hängen viele Arbeitsplätze, die jetzt in Gefahr geraten, weil Firmenchefs kriminelle Absprachen getroffen haben.“