Essen. . Die Notaufnahme „Spatzennest“ des Kinderschutzbundes für in Not geratene Kinder braucht Unterstützung. Die NRZ hilft dem Spatzennest in Essen im Rahmen ihrer Weihnachtsaktion. Sach- oder Geldspenden sind willkommen.
Lukas konnte nicht lachen. Lukas wollte nicht weinen. Und als er es dann doch einmal tat, freuten sich seine Betreuer tatsächlich wie die Schneekönige: über die Tränen, die seine Wangen hinabkullerten. Sein Schluchzen war ein erstes hörbar gutes Zeichen nach vielen stillen Wochen im „Spatzennest“ in Essen, in denen der Vierjährige unnahbar schien. Jetzt zeigte er zum ersten Mal sichtbar, was ihn bewegte, seitdem er in der Altenessener Notaufnahme des Kinderschutzbundes ein vorübergehendes Zuhause und erste Zuwendung für sein künftiges Leben bekommen hatte.
Ein heimatliches Gefühl hat Lukas nie gekannt, und seine junge Mutter, die mit ihm von Freund zu Freund zog, war für ihn mindestens genauso wenig zu erreichen. Sie nahm ihn zwar immer mit, dennoch war sie weit weg von ihm, wenn sie Rauschgift genommen hatte. Was sie oft tat in den Wohnungen ihrer wechselnden Männer. Sie gingen auf einen stundenlangen Trip, ihn ließen sie sitzen. Irgendwo im Zimmer. Wenn er müde war, fiel Lukas auf die Seite und schlief ein. Für kurze Zeit. War er wieder wach, ging es einfach weiter, dieses Leben ohne jeglichen Rhythmus, ohne Streicheln, ohne ein „Schlaf gut, mein Kleiner“, ohne Sicherheit, ohne Liebe, ohne Tag und ohne Nacht. Er kannte es nicht anders.
Windel als Drogendepot
Es war die Polizei, die durch einen Zufall einen Hoffnungsschimmer in Lukas’ Leben brachte. In einem Drogenverfahren kamen sie einem der Typen seiner Mutter auf die Spur, nahmen den Mann hoch und den Kleinen mit. In seiner Windel fanden sie das weiße Pulver, das sie gesucht hatten. Als Drogendepot war der Junge gut genug.
Lukas war eines von zurzeit 20 vernachlässigten, misshandelten, missbrauchten Kindern im „Spatzennest“, von denen viele in wenigen Wochen vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben ein Fest ohne Frust, einen Heiligabend ohne Heulen, mit Freude statt Furcht und mit Präsenten erleben, die Sie, liebe Leserinnen und Leser, den kleinen Bewohnern der Notaufnahme schenken können.
Geschenke, die neue Hoffnung geben
Nicht nur Martina Heuer, die Leiterin der Kindernotaufnahme, ist noch heute begeistert von der Spendenbereitschaft im vergangenen Jahr. Über 500 liebevoll verpackte Geschenke kamen an. Außerdem wurden im Rahmen der Weihnachtsaktion rund 20.000 Euro auf das „Spatzennest“-Konto überwiesen.
Die NRZ-Aktion findet immer mehr Unterstützer. Und das Geld der NRZ-Leser bescherte den Kindern neue Möbel, vom Esstisch bis zum Hochstuhl, die eine oder andere gemeinsame Unternehmung mit allen „Spatzen“, und in manchem Geschenk fand sich sogar ein neues Selbstwertgefühl. Denn schon die Kleinsten sind superstolz, wenn sie mal etwas Neues zum Anziehen haben. Doch genauso freuen können sie sich über eine Karte zum Fest, die ihnen zeigt, dass da jemand an sie denkt, während ihre leiblichen Eltern sich gar nicht mehr für sie zu interessieren scheinen oder nicht in der Lage sind, sich um sie zu kümmern.
Zahl der vernachlässigten Kinder steigt an
Es ist ein trauriger Trend, der sich da draußen vollzieht, sagt Martina Heuer: Die Zahl der körperlichen Misshandlungen ist „sprunghaft angestiegen“ und die einer groben Verwahrlosung als Resultat einer offenbar wachsenden Gruppe junger Eltern, die mit ihrem Leben nicht klarkommen und auffällig werden, ebenfalls. Immer wieder werden Messie-Haushalte aufgetan: 1,5 Tonnen Müll und ein stark zurückgebliebenes Kind holten sie aus der Wohnung einer Mutter, die sich nicht mehr nach draußen traute. Der Umgang mit psychisch kranken Erwachsenen, „das ist die Realität für die Kinder“, sagt Martina Heuer – mit allen Konsequenzen für ihr eigenes Leben bis hin zur geistigen Behinderung.
59 neue „Spatzen“ kennt die Statistik, die bis zum 31. Oktober dieses Jahres im Altenessener Nest gelandet sind. 102 Kinder mussten aus Platzgründen abgelehnt werden. 70 waren es im vergangenen Jahr. Viele der Kleinen, die im „Spatzennest“ unterschlüpfen, sind nicht krankenversichert, einen Kinderarzt haben sie nie gesehen, keinen Kindergarten besucht. „Die fallen einfach durchs Raster“, sagt Martina Heuer. Erst wenn es gilt, die Schulpflicht durchzusetzen, werden sie zu einem offiziellen Teil der Gesellschaft. Wissend um diese Rückzugstendenzen, die traurigen Entwicklungen und Schicksale lehnt die Leiterin der Notaufnahme das neue Betreuungsgeld für Eltern rundheraus ab: „Es trifft die falschen Familien.“
Der kleine Lukas hat’s inzwischen ganz gut getroffen, er lebt in einer Familie, in der sich alle freuen können wie die Schneekönige: wenn Lukas lacht.
NRZ-Weihnachts-Aktion: Leser helfen Kindern
Zum sechsten Mal unterstützt die NRZ-Stadtredaktion Essen mit ihrer weihnachtlichen „Wunschzettel-Aktion“ die wichtige Arbeit im „Spatzennest“, der Notaufnahme des Kinderschutzbundes. Auch in diesem Jahr bitten wir Sie, die Leserinnen und Leser der NRZ, um Mithilfe. Was können Sie tun? Gemeinsam mit den Verantwortlichen im „Spatzennest“ haben wir einen Wunschzettel mit den Dingen zusammengestellt, die benötigt werden.
- Playmobil-Artikel
Holzspielzeug (2 bis 6 Jahre)
Schlitten
Kinder-Bettwäsche
Handtücher, Waschlappen und Badehandtücher
„Startersets“ (Socken, Unterwäsche, Schlafanzug, Hose, Pullover oder Sweat-Shirt, Größe 98/104 bis 158/164)
Pantoffeln mit fester Sohle (ab Größe 20)
Gutscheine für Kino oder andere Freizeiteinrichtungen
Hygieneartikel und Windeln (Größe 5 oder 6)
Hörspiel- und Musik-CDs (2 bis 12 Jahre)
Hochstühle von „Herlag“
Fahrradhelme
Ihre Spende können Sie im Zeitraum vom 3. bis zum 19. Dezember im NRZ-Pressehaus, Sachsenstraße 30, abgeben. Öffnungszeiten: montags bis freitags, 8 bis 16 Uhr.
Eine Bitte: Selbstverständlich freut man sich im „Spatzennest“ auch über gebrauchtes Spielzeug und getragene Kleidung. Zu Weihnachten wäre es allerdings schön, wenn Ihre verpackten Geschenke neuwertig wären.
Wenn Sie Geld spenden möchten: Sparkasse Essen (Konto 290 700) oder National-Bank Essen (Konto 114 111). Empfänger: Kinderschutzbund Essen, Stichwort „Spatzennest“/NRZ-Aktion. Auf Wunsch wird eine Spendenquittung ausgestellt.