Essen. . Eine DRK-Krankenschwester erzählt aus ihrem Arbeitsalltag im Uniklinikum: ein Job unter großem und ständig wachsendem Druck, mit mangelnder Fürsorge, mit Überlastungsanzeigen als Regel. Dominika Sagan protokollierte eine stete Gratwanderung zwischen Wut und Verzweiflung.
Eine DRK-Krankenschwester erzählt aus ihrem Arbeitsalltag im Uniklinikum. „Ich erfuhr aus der Zeitung und aus dem Fernsehen, dass die DRK Schwesternschaft ihren pensionierten Schwestern die Mietverträge gekündigt hat. Das hat mich sehr erschüttert. Ich frage mich, wo bleibt die Menschlichkeit? Dass meine Mitschwestern im Alter von bis zu 92 Jahren auf diese Art ihr Zuhause verlieren, ist der Grund für mich, an meinem Beispiel zu beschreiben, wie sich die Situation auch im Berufsleben verändert hat. Das berichtet eine DRK-Schwerster, die anonym bleiben möchte.
Schließlich bin ich vor mehr als 30 Jahren in eine DRK Schwesternschaft eingetreten, in der ich eine ganz enge Frauengemeinschaft erlebte. Unsere Oberin sorgte sich mütterlich, es gab immer ein offenes Ohr. Heute kümmert man sich selbst nicht mehr um die Ältesten. Wer den Mund aufmacht, fühlt sich mitunter wie ein Nestbeschmutzer.
Arbeiten am Limit
Ich arbeite als Krankenschwester unter großem Druck, der im Laufe der Jahre zugenommen hat. Wir arbeiten ständig am Limit, oft mit zu wenigen Schwestern. Mittagspausen sind selten möglich, Überstunden werden stillschweigend vorausgesetzt. Wir machen sie, weil es um die Patienten geht und weil jede von uns helfen will. Ich erlebe dadurch eine Gratwanderung zwischen Wut und Verzweiflung.
An die Pflegedienstleitung, den ärztlichen Direktor, den Sicherheitsbeauftragten und meine Oberin habe ich immer wieder Überlastungsanzeigen geschrieben. Weil ich oft so viel Verantwortung übertragen bekommen habe, dass ich eigentlich hätte an zwei Orten gleichzeitig sein müssen. Ich habe bislang keine Hilfe erhalten. Stattdessen spüre ich immer Druck, wenn in Gesprächen der Ausschluss aus der Schwesternschaft angesprochen wird, der den Arbeitsplatzverlust bedeuten würde.
Kein Betriebsrat
Wir DRK-Schwestern haben keinen Betriebsrat, an den wir uns wenden können. Wir haben keine Arbeitsverträge, sondern unsere Mitgliedschaft und einen Beirat. Auch der war für meine Situation keine Hilfe, und ich weiß, dass es nicht nur mir so geht. Es gibt keine entlastenden Gespräche. Ich fühle mich frustriert und vor den Kopf gestoßen.
Dazu kommt die Gesundheitsreform, die uns das Genick gebrochen hat. Dokumentationen fressen viel Zeit auf. Im Klinikum bin ich nach einem so genannten Fürsorgegespräch versetzt worden. Als Grund hörte ich von der Schwesternschaft: Fürsorge eben. Ich habe eher das Gefühl, dass wir isoliert werden, wenn wir Kritik äußern. Dazu kommt, dass meine Versetzung weniger Gehalt bedeutet, was für mich und meine Familie wirtschaftlich nicht zu verkraften ist.
Schwestern schaffen es kaum in die Kantine
Doch die Schwesternschaft argumentiert damit, dass sie wirtschaften und sparen müsse. Dabei will ich keine utopischen Forderungen stellen, denn ich weiß, dass es vielen in anderen Berufszweigen ähnlich geht, wo die Arbeitsbelastung wächst und die Arbeitskräfte gleichzeitig abgebaut werden. Aber wir könnten doch mit wenigen Kollegen das Arbeitsklima verbessern. Voraussetzung wären geregelte Dienstzeiten und bessere Organisation. So gab es beispielsweise den Vorschlag, einen Butterbrot-Service für uns Schwestern einzuführen, die wir kaum in die Kantine kommen.
Es passiert aber nichts. Manche Kolleginnen sind gegangen, haben einen anderen Job gefunden. Für die, die bleiben, wächst die Arbeit, wächst der Druck. Keiner steht hinter uns. Ich schleppe Vieles aus dem Klinikum mit nach Hause, habe Alpträume, Migräne und Magenschmerzen. Kontakte zu Freunden sind abgebrochen, weil ich nach Feierabend lieber ins Bett gehe. Es geht mir schlecht. Und der Schutzraum, den die DRK Schwesternschaft für uns bedeutet hat, der bröckelt.“
„Kostendruck hat Auswirkungen“
Die ehemalige DRK-Krankenschwester Ingrid Sahm machte die Wohnungs-Kündigung der pensionierten DRK-Schwestern öffentlich. Sie arbeitete fast 20 Jahre in der Pflegedienstleitung des Uniklinikums und kennt das Problem, dass Überlastungsanzeigen, die sie weitergeleitet habe „im Sande verlaufen sind“.
Silke Schmalz, Vorsitzende der DRK Schwesternschaft, erklärt: „Der Kostendruck im Gesundheitswesen hat Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen. Belastungssituationen werden individuell unterschiedlich empfunden und entstehen durch verschiedene Faktoren wie zusätzliche Dienstübernahmen wegen Personalausfall durch Krankheit, Vereinbarkeit Familie und Beruf.“
Wertschätzung ist wichtig
Die Schwesternschaft unterstützte die Mitglieder in den Lebenssituationen, finanziere Fortbildungen zur Weiterentwicklung oder Gesundheitsförderung und unterbreite Angebote zur Unterstützung in Form von Coaching. Schmalz: „Besonders wichtig ist das persönliche Gespräch und die Wertschätzung der Leistung. Das Zuhören und Ernstnehmen der Belastung hilft, gemeinsam den Blick auf Lösungen zu richten.“
Burkhard Büscher, Sprecher des Uniklinikums erklärt: „Eingehende Überlastungsanzeigen werden zügig durch das Qualitätsmanagement geprüft, im Berichtswesen aufgenommen und durch Stellungnahmen aus den betreffenden Bereichen ergänzt. Um der Belastungssituation zu vermeiden, werden die eingeleiteten Maßnahmen den betroffenen Mitarbeitern mitgeteilt und besprochen.“