Essen. Erste-Hilfe-Kurse besucht laut Arbeitersamariterbund in Essen kaum jemand freiwillig. Meist sind es Führerschein-Neulinge, die sich in Lebensrettung schulen lassen. Doch wie können mehr Menschen für das Thema begeistert werden? “Fresh-Up“-Kurse sind nur eine der Möglichkeiten.
Wollen und können liegen erfahrungsgemäß oft weit auseinander. Dieser Unterschied bekommt vor allem dann Bedeutung, wenn es um Leben und Tod geht. Sicher, das Wollen ist bei Erster Hilfe bekanntermaßen das Wichtigste. „Falsch macht nur etwas, wer gar nichts macht“, betont Feuerwehrsprecher Mike Filzen. Gleichwohl: Noch besser wäre es, hätten Helfer auch das konkrete Wissen. Hier hapert es weiterhin, so die Erfahrung der örtlichen Rettungsdienste.
„Das Bewusstsein, dass man bei einem Unfall nicht einfach nur daneben stehen sollte, ist größer geworden“, sagt Dirk Heidenblut, Regionalgeschäftsführer des Arbeitersamariterbundes (ASB), „die entsprechenden Kenntnisse aber nicht unbedingt“. Noch immer seien Schulungen fast ausschließlich von Führerscheinanwärtern besucht. „Die Quote derjenigen, die einfach ihre Kenntnisse auffrischen wollen, ist nach wie vor viel zu gering, etwa 15 zu 85.“ Die Folge: „Für ein Unfallopfer ist es Glückssache, wer zuerst vor Ort ist – ein Führerscheinneuling oder jemand, dessen Erste Hilfe-Kurs ewig zurückliegt.“
Auch bei den Essener Johannitern macht man die Erfahrung, dass „die Leute sehr viel sensibler sind, was Notfälle angeht“, so Rettungsdienstleiter Patrick Arndt. „Immer mehr Leute wählen den Notruf. Ob sie aber konkret helfen, ist sehr unterschiedlich.“ Was eben oft mit Unsicherheit zu tun hat. Dennoch blicken auch die Johanniter vor allem in die Gesichter von Jugendlichen, die den fürs Autofahren obligatorischen Kurs ableisten, wenn sie vor eine Schulungsgruppe treten.
„Verpflichtung hilft nicht weiter“
Wie bekommt man die Leute in den Klassenraum? Von einem Zwang halten die meisten Verantwortlichen wenig. „Eine Verpflichtung hilft uns nicht wirklich weiter“, sagt Dirk Heidenblut vom ASB. Wenn man allerdings über verbindliche wiederkehrende Sehtests für Autofahrer nachdenke, könne man auch über Auffrischungen in Erster Hilfe reden.
Vor allem aber „müssen wir immer wieder das Bewusstsein schärfen und damit früher einsetzen, schon in der Schule. Erste Hilfe muss zum Unterricht gehören.“ Auch Patrick Arndt von den Johannitern kann Zwangsschulungen wenig abgewinnen. „Ich halte das für schwer umsetzbar, außerdem nützt es nichts, wenn einer nicht will.“ Gleichwohl: „Es wäre nicht verkehrt, wenn ein sanfter Druck entsteht.“
Fürs Erste bedient man sich nicht des Drucks, sondern bemüht sich, auf die Bedürfnisse potenzieller Auffrischer einzugehen. Acht Stunden dauert eine Schulung in „Lebensrettenden Sofortmaßnahmen“, wie sie Führerscheinanwärter machen müssen. Der Kurs in „Erster Hilfe“, den etwa Trainer und LKW-Fahrer abzuleisten haben, umfasst 16 Stunden. Da geht also ein Samstag oder ein ganzes Wochenende drauf – ziemlich viel Zeit für jemanden, der einfach nochmal die stabile Seitenlage üben möchte.
Kurse sind stets ausgebucht
Bei den Johannitern bietet man deshalb inzwischen so genannte „Fresh Up“-Kurse an, und die Zahlen sprechen für sich: Von den 5000 Teilnehmern, die im vergangenen Jahr einen Kurs der Johanniter besuchten, entfielen 2000 auf die Kurz-Variante, die eine Reform des Landesrettungsdienstgesetzes überhaupt erst ermöglicht habe.
Beim Deutschen Roten Kreuz betont man vor allem die passgenauen Angebote für verschiedene Zielgruppen. So gebe es eine verstärkte Nachfrage von Menschen, die Angehörige pflegen und einen Kurs wünschen, in dem es zum Beispiel um das richtige Handeln bei Sturzverletzungen geht. „Unsere Kurse zur Ersten Hilfe für Senioren sind immer ausgebucht“, sagt DRK-Sprecherin Sonja Kochem.
Überhaupt steigt die Zahl derjenigen, die sich beim DRK ausbilden lassen. Gab es im ersten Halbjahr 2011 noch 268 Kurse mit 3738 Teilnehmern, waren es im ersten Halbjahr 2012 bereits 344 Kurse mit 4940 Teilnehmern. Mit Service noch mehr Menschen erreichen – das ist auch die Mission der anderen Rettungsorganisationen. „Wir feilen ständig an unseren Kursen“, sagt ASB-Geschäftsführer Dirk Heidenblut, und auch bei den Johannitern will man Interessierten gerne entgegenkommen, sagt Patrick Arndt, und meint das ganz wörtlich. „Wir kommen auch raus.“