Essen.
Neun pensionierte Schwestern müssen ausziehen,weil das Gemeinschaftswohnen aufgelöst wird. Hannelore Karaus verliert mit 83 Jahren ihr Zuhause: Sie hat die Kündigung für das Gemeinschaftswohnen der pensionierten Schwestern der DRK Schwesternschaft erhalten, zu der sie seit 1947 gehört. Ihr ganzes Berufsleben lang hat sie als Krankenschwester im Uniklinikum gearbeitet. Vor mehr als zwölf Jahren zog sie an den Hohlweg in Holsterhausen.
„Als ich damals eintrat, gab es das Versprechen: Wir sind für euch da. Wir hatten Gewissheit, dass sie sich um uns kümmern, wenn wir hilfsbedürftig sind.“ So wirbt die Schwesternschaft auch auf einem Plakat im Flur mit ihrem Einsatz für die Menschlichkeit, das friedliche Zusammenleben und die Würde aller Menschen. Sie selbst sei immer loyal gewesen, sagt Hannelore Karaus. Wie auch die acht weiteren Schwestern zwischen 65 und 92 Jahren, die gehen müssen, sagt Ingrid Sahm (66), die inzwischen ausgetreten ist. Sie fragt, warum sich die Schwestern Hals über Kopf etwas Neues suchen müssen?
Einkünfte nicht annähernd kostendeckend
Noch 2012 werde das Gemeinschaftswohnen eingestellt, heißt es in der Kündigung. Es entspreche nicht mehr der heutigen Lebenswirklichkeit, die Einkünfte seien nicht annähernd kostendeckend. Andeutungen über die Auflösung habe es immer wieder gegeben, erklärt Pia Stuhler, Geschäftsführender Vorstand der Schwesternschaft: „Das will ein alter Mensch natürlich nicht hören.“ Sie betont: „Wir setzen niemanden vor die Tür. Die Schwestern ziehen aus, wenn sie ein wunderschönes Altenheim gefunden haben.“ Bis dahin würden sie individuell betreut, schließlich gelte die Fürsorge weiterhin. Sie bekämen Hilfe beim Ausräumen und Einräumen. Und: „Inzwischen haben alle etwas gefunden.“
Hannelore Karaus hat sich beim zweiten Anlauf wohl für eine Wohnung in der Innenstadt entschieden, zu der eine Schwester mit ihr gefahren ist. Sie wäre gern in ihrem Stadtteil, in Holsterhausen geblieben. „Die Kündigung trifft uns hart“, sagt sie, die nachts oft aufschreckt und vor Augen hat,wie die Oberin ihnen im September beim Essen mitteilt, dass sie ausziehen müssen. Drei Tage später lag vor ihrer Tür die Kündigung, die alle sehr gekränkt habe.
Neun Schwestern müssen ihr Zuhause verlassen
„Wir haben hier gut gelebt. Das ist doch das Mutterhaus, unser zu Hause“, sagt die 83-Jährige. Veränderungen haben sie durchaus bemerkt: „Früher haben wir Adventsschmuck gebastelt.“ Ihr Blutdruck wurde gemessen. Irgendwann wurde das Betreute Wohnen ohne Information in Gemeinschaftswohnen umbenannt, sagt sie. Nun seien ihnen 500 Euro für Neuanschaffungen angeboten worden, erzählt Hannelore Karaus. Sie aber empfindet das als Abwrackprämie.
Zukunftsangst und Existenzsorgen
In dem Haus der DRK Schwesternschaft wohnten seit 1950 bis zu 18 pensionierte Schwestern, nun sind es noch neun. Für die Miete zahlt Hannelore Karaus im 30-qm-Appartement rund 1200 Euro. Die beinhalten Heizung, Strom, Wäschewaschen, Mittag- und Abendessen sowie Personalkosten. 100 Euro im Jahr kostet die Handwerker-Pauschale. Trotz der Summe, die sie monatlich zahlen kann, war die Suche für die 83-Jährige schwierig, weil sie einen Platz im Betreuten- oder Service-Wohnen brauchte, in dem sie im Pflegefall bleiben könne. Ohne Wohnberechtigungsschein und ohne Pflegestufe falle sie aber durchs Raster, bekomme keinen Platz im Seniorenheim.
Hannelore Karaus hat durchaus den Rat bekommen, sie sollten sich einen Anwalt nehmen, um die Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen: Ob die DRK Schwesternschaft etwa tatsächlich einen wichtigen Grund nachweisen könne. Sie sagt aber: „Uns geht es so schon elend“. Sie selbst habe große Angst gehabt, wie es mit ihr weitergeht. Zudem spiele wohl bei einigen ihrer Mitschwestern ein weiterer Aspekt eine Rolle: „Die Schwestern wollen dem Mutterhaus nicht schaden.“ Immerhin steht in der Kündigung: „Die Fortführung des Gemeinschaftswohnens würde die zukünftige Existenz des Vereins gar gefährden.“