Essen. . Unternehmensberater Horst Pabst begleitet Migranten auf dem schwierigen Weg zur eigenen Firma.
Horst Pabst und Margaret Kioko beugen sich gemeinsam über das aktuelle Seminarprogramm der IHK. Die Existenzgründerin will wissen, welche Kurse Pabst ihr ans Herz legt. Der 59-Jährige fährt mit dem Stift in der Hand über die Liste und hält immer wieder inne, um eine Zeile zu markieren. „Betriebsversicherung, Buchführung, Finanzamt im Dialog – ganz wichtig!“ Die Schulbank drücken muss Kioko alleine, ansonsten hilft Pabst der 42-jährigen gebürtigen Kenianerin in so ziemlich allen Dingen, die ihr Projekt Selbstständigkeit betreffen. Pabst betreibt in Essen die Agentur „Youconsulting“, eine Gründerberatung für Migranten.
Früher war Pabst Banker, 35 Jahre lang hat er bei der Sparkasse gearbeitet. Privat engagierte er sich in der Flüchtlingsberatung und stellte fest, dass neben den Sorgen des alltäglichen Lebens dort zunehmend betriebswirtschaftliche Fragen eine Rolle spielten. „Es kamen immer öfter Menschen in die Beratung, die sich selbstständig machen wollten.“ Zur gleichen Zeit spürte Pabst, dass die Veränderungen in seinem erlernten Beruf ihm zu schaffen machten. Es sei immer mehr um das zu vermarktende Finanzprodukt und immer weniger um den Kunden gegangen. „Aber ich bin doch kein Verkäufer, sondern Berater!“
Mit 50 Jahren gründete er sein Unternehmen
Im Alter von 50 Jahren schied Pabst aus dem Dienst aus und rief den Gründerservice für Migranten ins Leben. 2003 war das, mehr als 20 junge Unternehmen habe er seither an den Markt gebracht. Die meisten, so sagt er, erfolgreich. Da ist etwa das Fremdspracheninstitut in Düsseldorf, geführt von einer Frau aus Somalia. Übersetzungsdienste in mehr als 100 afrikanischen Dialekten böten sie und ihre Mitarbeiter an – die Nachfrage, vor allem von öffentlichen Stellen, sei groß. Da ist der selbstständige Sozialberater aus dem Kongo, auf dessen Dienste auch die Stadt Essen und die Diakonie zurückgriffen. Da sind die Iranerin mit dem Fingernagelstudio in Mülheim und der chinesisch-italienische Schnellimbiss in Bochum.
Und nun sitzt da in Pabsts kleinem Büro nahe des Essener Hauptbahnhofs also Margaret Kioko aus Kenia, die eine kleine Werbeagentur aufbauen möchte. Vorrangige Zielgruppe: andere afrikanische Geschäftsinhaber. „Es gibt hier so viele Migranten mit eigenen Läden, aber viele kommen nicht weiter, weil sie keine Werbung machen. In Afrika läuft alles über Mundpropaganda, hier reicht das nicht.“ In Sachen Vermarktung hat Kioko Erfahrung – wegen des Palmbiers, das sie nach einem Rezept aus ihrer Heimat brauen ließ und bei Musikfestivals verkaufte. Doch das Geschäft war zu wetterabhängig. Wie die meisten Youconsulting-Kunden lebt Kioko von Hartz IV, das will sie ändern. „Ich brauche endlich mal Sicherheit.“
Probleme bei der Anerkennung ihrer ausländischen Berufsabschlüsse
Eine Existenzgründung aus der Not heraus – ob das wirklich der richtige Weg zu mehr Sicherheit ist? Und überhaupt: Sollte es nicht eher Ziel sein, Menschen wie Margaret Kioko in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen? „Es geht für diese Menschen vor allem darum, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen“, sagt Horst Pabst und erzählt von der Ausbildung zur Altenpflegehelferin, die Margaret Kioko zwar erfolgreich absolviert habe, die ihr aber dennoch höchstens Kurzzeit-Jobs einbrachte. Bei anderen seiner Kunden sei die Anerkennung ihrer ausländischen Berufsabschlüsse das Problem.
Die Selbstständigkeit ist in vielen Fällen nur der Plan B – und damit eigentlich zum Scheitern verurteilt. Zwar seien die ausländischen Gründer ungemein motiviert, so Pabsts Erfahrung, meist aber auch reichlich unbedarft. Zudem sind da die sprachlichen Probleme und die Herausforderungen der Bürokratie. Hier kommen Pabst und seine eigene Geschäftsidee ins Spiel. Der Finanzfachmann kennt die Gepflogenheiten der Migranten-Communities ebenso wie das deutsche Verwaltungswesen. Gemeinsam mit Sohn André (32), der ins Geschäft einstieg, erstellt Pabst Finanzpläne, sucht Standorte, analysiert die Konkurrenzsituation. Seine Kunden zahlen dafür Monatspauschalen ab 30 Euro. Früher hatte er ein bequemeres Auskommen, das nimmt er in Kauf. „Wir verstehen uns als soziales Unternehmen.“
Und Margaret Kioko? Wird bald ihr Geschäft anmelden, sagt Pabst. „Spätestens zum Jahresende steht das alles.“ Einen Namen für ihre Werbeagentur hat die Gründerin auch schon: „Jambo Advertising“. Jambo ist Suaheli und bedeutet Hallo. Er kenne auch einen Ausdruck auf Suaheli, sagt Horst Pabst: „Hakuna Matata – Keine Sorgen!“
Anfang in einem Container am „Kreuzer“
Die Geschichte der Firma Youconsulting begann in einem Container neben dem „Kreuzer“, dem interkulturellen Gemeindezentrum an der Friedrich-Lange-Straße in Bochold. Mit Youconsulting bietet Horst Pabst im Kreuzer auch heute noch einmal wöchentlich Bürozeiten an, jeden Dienstagabend. Ihren festen Sitz hat die Unternehmensberatung für Migranten an der Rellinghauser Straße 10 in der Innenstadt. Umgeben ist Pabst dort von Dienstleistern, die sich an eine ähnliche Zielgruppe richten, ein türkischer Anwalt etwa sitzt gleich nebenan.