Essen. Die Essener Firma Secunet schützt den Datenverkehr zwischen vielen Bundesbehörden. Sie ist schon seit langem mit der Bundesregierung im Geschäft. Dass die öffentliche Hand sich oft auf private IT-Experten verlässt, ist umstritten.
Knapp ein Jahr ist es her, dass der Chaos Computer Club die Schwachstellen der staatlichen Online-Durchsuchung offenlegte – Stichwort „Bundestrojaner“. Die Späh-Software des privaten Herstellers Digitask, so die Hacker, könne viel mehr als sie verfassungsmäßig darf, sei pannenbehaftet und von den Behörden kaum kontrollierbar. Die folgende Debatte förderte nicht zuletzt die Erkenntnis zu Tage, dass sich der Bund bei der Informationssicherheit heute in erheblichem Umfang auf externen Sachverstand verlässt. Davon profitieren zahlreiche kleine und mittelständische IT-Firmen in Deutschland – eine davon ist „Secunet“ aus Essen.
Nicht jeder ist erbaut über die gute öffentliche Auftragslage für die Branche. „Die Abhängigkeit der Sicherheitsbehörden von privaten Dienstleistern hat ganz offensichtlich bereits enorme Ausmaße angenommen“, so der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte, der dazu eine Kleine Anfrage an die Regierung gestellt hat. Der Antwort vor einigen Wochen war eine Liste der in den vergangenen Jahren erteilten Aufträge beigefügt. Auch Secunet taucht darin mehrmals auf, teilweise mit Aufträgen in sechsstelliger Höhe.
Gegründet aus dem Tüv heraus
In der Tat sei die öffentliche Hand der wichtigste Kunde des Unternehmens, sagt Vorstand Rainer Baumgart, die Behörden könnten nun mal nicht sämtliches Knowhow selbst vorhalten. Mit Digitask, dem unvermittelt in die Öffentlichkeit geratenen Trojaner-Bauer, will man an der Essener Kronprinzenstraße freilich nicht in einen Topf geworfen werden. Auf die umstrittene Software-Firma aus dem Hessischen angesprochen, winkt Baumgart ab. „Man kann Sicherheitssysteme aufsetzen, die nicht sicher sind, und schafft damit ein zusätzliches kritisches Element.“ Die eigenen Produkte dagegen seien wasserdicht und ihr Einsatz unerlässlich, denn – so sieht es Baumgart – „Datenschutz bekommt man durch Sicherheitstechnik überhaupt erst hin“.
Secunet, 1996 in Essen aus dem Tüv heraus gegründet und später mehrheitlich vom Münchener Sicherheitskonzern Giesecke und Devrient übernommen, ist schon seit langem mit der Bundesregierung im Geschäft. Nach dem Umzug in die neue Hauptstadt lieferte das Unternehmen eine Verschlüsselungstechnologie für den Datenaustausch mit den in Bonn verbliebenen Behörden. „SINA“ heißt das System, das inzwischen auch bei der Kommunikation zwischen den deutschen Botschaften eingesetzt wird. „Damit kann ein Botschaftsmitarbeiter aus jedem beliebigen Hotel in dieser Welt vertrauliche Dokumente einsehen und versenden“, so Baumgart.
Auch die Bundespolizei greift auf Secunet zurück, als Lieferant von Technologie für biometrische Erkennungssysteme. „Sowohl beim neuen Reisepass als auch beim Personalausweis haben wir intensiv an Konzeption und Umsetzung der Infrastruktur mitgearbeitet.“ Derzeit läuft unter Beteiligung von Secunet am Frankfurter Flughafen ein Pilotprojekt zur automatischen Passkontrolle. „Das ist die Zukunft“, sagt Vorstand Baumgart.
Behörden sind Auftraggeber Nummer eins
Dass die öffentliche Hand derzeit ihr Auftraggeber Nummer eins ist, muss aus Sicht von Secunet übrigens nicht unbedingt so bleiben. Zu sehr wähnt sich das Unternehmen, das für sich als „Sicherheitspartner der Bundesregierung“ wirbt und neben Behörden auch Streitkräfte ausstattet, abhängig von Beschaffungsetats in Ämtern und Ministerien. Deshalb verstärkt im Blick der professionellen Geheimnishüter: die Industrie, die ihren Sicherheitsbedarf noch nicht recht erkannt habe, meint Baumgart. „Wirtschaftsspionage ist ein gigantischer Markt. Der deutsche Mittelstand hat dieses Problem nicht wirklich im Griff.“ Hier will Secunet künftig mehr Geschäfte akquirieren.
Rund 300 Mitarbeiter hat das börsennotierte Unternehmen derzeit, 100 davon arbeiten in Essen, die anderen an weiteren Standorten in München, Dresden, Eschborn, Berlin, Hamburg und Siegen. Auf der Suche nach guten IT-Fachleuten, möglichst mit Sicherheitskenntnissen, habe man sich bewegen müssen, so Baumgart. Mehr als 60 Millionen Euro Umsatz peilt Secunet für dieses Jahr an. „Wir beabsichtigen, in den nächsten Jahren stärker zu wachsen, auch im Ausland. Wir beliefern schon jetzt andere Nationen und die EU und haben auch Anfragen aus dem Nahen und Mittleren Osten.“