Essen. . Die Essener sprechen sich im NRZ-Bürgerbarometer gegen eine Wohnbebauung rund um den Baldeneysee und in anderen Grünflächen aus. Essens Stadtdirektor und Planungsdezernent Hans-Jürgen Best jedenfalls wundert das Ergebnis nicht: “Der Baldeneysee ist eine vollendete Schönheit.“
Wer immer am Baldeneysee auf Bauland hofft, darf sich keinen Illusionen hingeben: Für die Essener sind der See, die Ufer, das Ruhrtal nahezu sakrosankt. Bei keiner anderen Frage fällt das NRZ-Bürgerbarometer eindeutiger aus. Auf die Frage, ob die Stadt auch Grünflächen und gute Lagen – etwa am Baldeneysee – opfern sollte, um bessere Wohnangebote machen zu können, antworten 74 Prozent mit einem klaren „Nein, auf keinen Fall“, weitere neun Prozent zeigen sich ebenfalls alles andere als begeistert.
Gerade einmal sechs Prozent können sich überhaupt mit einer weiteren Bebauung abfinden, nur drei Prozent antworten mit einem „Ja, auf jeden Fall“. Für Steffen Ehrmann, vom Lehrstuhl für Marketing & Handel der Universität Duisburg-Essen, der für die Umfrage verantwortlich zeichnet, dürfte vor allem der Verweis auf den Baldeneysee für das eindeutige Resultat gesorgt haben.
Frauen stärker gegen Bebauung
Dabei spielt es keine Rolle, ob die 521 befragten Essener Bürger im Norden oder Süden wohnen. Frauen neigen hier eher zu einem deutlichen Nein als Männer. Und während 30- bis 39-Jährige noch am ehesten einem Häuschen oder einer Wohnung mit Seeblick etwas abgewinnen können, sehen die Antworten bei den zehn Jahre älteren Essenern bereits ganz anders aus: Bei den 40- bis 49-Jährigen jedenfalls ist der Widerspruch am größten.
Was das in der Konsequenz für die Stadtplaner heißt? Essens Stadtdirektor und Planungsdezernent Hans-Jürgen Best jedenfalls wundert das Ergebnis nicht: „Der Baldeneysee ist eine vollendete Schönheit und bietet mit den bewaldeten Ruhrhängen, der Villa Hügel und der übrigen spärlichen, aber gewachsenen Bebauung ein ausgewogenes, nahezu perfektes Landschaftsbild. Daran möchte der Essener nichts geändert haben, das sehen wir als Stadtplaner im übrigen ebenfalls so.“ Dass nun auf dem ehemaligen Gelände der Steinwerke 100 Einfamilienhäuser entstehen, damit könne sich der Bürger anfreunden, „weil da vorher Zementtürme standen“.
Aber auch abseits des Sees reagiere der Bürger empfindlich, wenn Grünflächen bebaut werden sollen. Die Grüne Harfe in Werden sei dafür ein gutes Beispiel: „Der Widerstand war hier außergewöhnlich groß. Andererseits wundere ich mich seit 20 Jahren, dass vor den Versammlungen immer wieder einige Leute zu uns kommen, und wissen wollen, wann denn endlich gebaut werde. Ich sage dann immer, ‘prima, stellen sie diese Frage gleich in der Versammlung’. Aber das hat in 20 Jahren noch keiner gemacht.“
Grüne Seele
Dabei ist die Bebauung von Grünflächen alles andere als das Ziel der Stadtplaner: Vielmehr gehe es um die innere Entwicklung von Quartieren, die Umstrukturierung vor allem ehemals industriell genutzter Flächen. Best sieht hier vor allem den Krupp-Gürtel, das Uni-Viertel, den Niederfeldsee in Altendorf oder die Böhmerheide und das Quartier zwischen Marienhospital und Kolpingstraße in Altenessen als gelungene Beispiele: „In allen Fällen haben wir den Vierteln eine grüne Seele gegeben. Und das ist auch unser Ziel.“ Die Menschen wünschten sich ein grünes Umfeld, „es geht ihnen vor allem um die gefühlte Nähe“. Das sei für den einen der nahe Park, der Grünzug oder der Wald, für andere bereits der Blick vom Balkon auf einen grünen Hinterhof.
Allerdings warne er vor der Illusion, bei schrumpfender Bevölkerung werde weniger Wohnfläche benötigt, deshalb sei ein stärkerer Rückbau beispielsweise zugunsten des Grüns möglich: „Tatsächlich wächst die Wohnfläche in Essen weiter.“ Allein in den beiden zurückliegenden Jahren ist sie um über 80.000 auf 23,1 Millionen Quadratmeter gestiegen, „weil wir immer mehr Quadratmeter pro Person brauchen“, sagt Hans-Jürgen Best. Die bebaute Fläche verändere sich dabei nicht, „wo vorher 200 Wohnungen standen, sind es heute eben nur noch 80“. Immer noch gebe es ein zahlungskräftiges und zahlungswilliges Publikum, „und so lange wird sich an dieser Entwicklung auch nichts ändern“.
Eine Frage des Gelds
Natürlich spielt auch hier das Preisgefüge eine Rolle. Deshalb sieht der Planungsdezernent im Norden die größeren Entwicklungschancen. So sei beispielsweise im Nordviertel langsam der positive Einfluss des deutlich ausgebauten und aufgewerteten RWE-Standorts an der Altenessener Straße zu spüren: „Viele der Menschen, die dort arbeiten, wollen ganz offensichtlich in der Nähe wohnen.“
Im Süden sind es eben die fehlenden Flächen, die die Bebauung erschweren. Und natürlich der Widerstand der Essener, nicht weiter in die Landschaft, in die Grünflächen einzugreifen. Vor allem rund um den Baldeneysee wäre dabei mit Ärger zu rechnen. So gerne mancher dort auch sein Häuschen hätte.