Essen. . “Auf Trödelmärkten kommen die Händler häufig ungeschoren davon“, sagt Marc-André Heistermann, Chef des Essener Einzelhandelsverbandes. Eine Stippvisite beim Markttag am Autokino in Essen zeigt: Verstöße gegen geltendes Recht sind gang und gebe. Die rot-grüne Landesregierung will schärfere Bestimmungen für den sonntäglichen Verkauf von Neuwaren auf den Märkten. Auch der Lebensmittelhandel beim Trödel macht selten Geschmack auf mehr.
Bunte Uhren mit Plastikarmbändern in Schachteln, die aussehen wie übergroße Legosteine, sind der Renner. Etabliert hat sie der Hersteller Ice Watch, seither haben Namenlose sie tausendfach kopiert.
Auch am Autokino biegen sich lange Tapeziertisch-Reihen unter Schachteln mit Plagiaten der bunten Trend-Uhren. Bei 10 Euro liegt der Trödelmarktpreis, im Fachhandel werden für die Originale 79 Euro und mehr fällig.
Donnerstag am Autokino. Markttag mit hunderten Ständen – und nicht alle sind Marc-André Heistermann, Chef des Essener Einzelhandelsverbandes, ein Dorn im Auge. „Konkurrenz belebt das Geschäft. Auch Neuwaren-Händler haben auf solchen Märkten ihre Berechtigung.“ Nur sollten die unter gleichen Voraussetzungen antreten wie der örtliche Einzelhandel, dem durch den Handel mit Plagiaten Geschäfte durch die Lappen gehen.
Ein paar Stände weiter türmen sich in der sengenden Hitze des Vormittags ungekühlte Cervelatwurst-Packungen auf einem Tisch. Als wir ein Bild machen wollen, wird der Händler laut, räumt die Ware zur Seite und beschimpft uns lautstark in gebrochenem Deutsch. „Alles legal. Nix Foto.“
Gleiches Recht für alle
Gut, dass Heistermann diese Szene nicht sieht, denn sie ist Wasser auf seine Mühlen. „Wenn ein niedergelassener Händler seine Ware nicht richtig kühlt, hat er zu Recht Ärger. Aber auf Trödelmärkten kommen die Händler häufig ungeschoren davon.“
Doch egal ob Nudeln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum oder originalverpacktes Parfüm, das laut aufgeklebtem Preisschild einer Parfümeriekette 93 Euro kosten sollte und nun für 35 Euro verramscht wird, der Handel auf dem Markt am Sulterkamp blüht. Mit Einkaufswagen im Schlepp kommen die Besucher zum Großeinkauf und laden „Orangen, Aprikosen, Bananen, alles für einen Euro das Kilo“ in ihre Taschen.
Ein Markttreiben, das Heistermann mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis nimmt: „Gegen Billigangebote haben wir nichts, sonst müssten wir ja auch gegen die Ein-Euro-Shops in der Stadt sein.“
Nein, Verstöße gegen geltendes Recht sind es, die dem Einzelhandelsverbands-Chef Sorgen bereiten und der schwunghafte Handel mit Neuwaren auf Sonntags-Märkten „Wenn da Neuwaren verkauft werden, ist das für den Einzelhandel schädlich. Teilweise sind es 80 bis 90 Prozent Neuwaren, die da angeboten werden. Ein niedergelassener Einzelhändler darf aber an nicht mehr als vier Sonntagen pro Jahr öffnen. “ Für Märkte gelte hingegen das „Marktprivileg“, das Sonderrechte einräumt.
Doch das könnte bald ins Wanken geraten. Die rot-grüne Landesregierung will schärfere Bestimmungen für den sonntäglichen Verkauf von Neuwaren auf Floh- und Trödelmärkten. Dabei machen die Marktbetreiber mit professionellen Händlern nicht wenig Kasse. Profis zahlen für die Stellflächen mehr Miete als Privatpersonen, die nur dann und wann kommen, um Aussortiertes für ein paar Euro zu verkaufen.
Nur ein privater Händler
Am Autokino finden wir exakt eine Frau nebst Tochter, die Abgelegtes im Angebot hat. „30 Euro haben wir für den Stellplatz bezahlt, das Geld haben wir durch den Verkauf schon wieder raus“, sagt Petra Neuwald. Gerade kommen 16 Euro hinzu für ein paar Ohrringe oder eine Kette. Reich werden Mutter und Tochter damit nicht. „Aber wir haben wieder Platz in unseren Schränken.“ Nach anfänglichem Befremden über all die Neuwaren-Händler haben sie sich entschieden zu bleiben, „obwohl wir erst dachten, dass es für uns hier keinen Sinn macht.“
Weiter geht es in den hinteren Teil des Marktes, der fest in der Hand von Gebrauchtwarenhändlern ist – die sich spezialisiert haben. Hier 20 Fahrräder, dort 15 Laptops. Andreos Baroglu steht regelmäßig vor Recyclinghöfen, sammelt dort abgelegte Toaster und Waschmaschinen ein, „die mache ich dann fertig und verkaufe sie.“ Am Stand nebenan läuft an einer Maschine Marke Bauknecht gerade das Schleuderprogramm. Die Trommel ist leer, aber Athanas Keristos weiß, „wenn die Geräte laufen, verkaufen sie sich besser. Viele Leute haben Angst weil sie denken, dass wir nur Schrott verkaufen.“
Viel ist nicht los an den Ständen der Profi-Gebrauchtwarenhändler. Einige Möbel sehen aus wie für den Sperrmüll bestimmt, die Liebhaber von Zinn-Zierrat sind rar gesät. „Manchmal lohnt es sich nicht, hierher zu kommen, da verkaufen wir nichts, zahlen aber für den Stand“, sagt Baroglu, „aber manchmal kann man sich mit ein paar anderen zusammen tun, einen Container mieten und die Sachen verschiffen.“ Wohin? „Afrika.“ Besser kann man den Streit um gewerblichen Trödel-Handel nicht ausweichen.