Essen.. Nach 40 Jahren schließt eine Institution des Essener Einzelhandels seine Pforten. Das Geschäft von Janez Pizek und seiner Frau Jozefa im Haus der Technik war ein Gemischtwarenladen der besonderen Art. Es bot Kampfsportartikel, Messer und Souvenirs an.

Das ist jetzt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber: Dies ist eins der Geschäfte, die der „Einkaufsstadt“ eine Seele verleihen. Die Einrichtung entspricht kaum den allerneuesten Erkenntnissen des Ladeninnenarchitekturwesens; es gibt hier nur Neonlicht und nüchterne Holzvitrinen mit Glasschiebetüren, aber: Es ist eins dieser Geschäfte, die es woanders nicht gibt. Die man nicht ersinnen kann als Filial-Retorte. Hinter der kein konfektioniertes „Store Concept“ für Innenstädte in halb Europa steht. Sondern: Es ist einfach ein Laden, der einem Essener Ehepaar gehört, das seine Leidenschaft und seine biographischen Besonderheiten über Jahrzehnte eingebracht hat – in diesen Laden, mitten im Herzen Essens, direkt gegenüber vom Hauptbahnhof.

Wir reden von den ansehnlichen Arkaden des denkmalgeschützten Hauses der Technik: „Pisek“ residiert hier seit fast vier Jahrzehnten, verkauft wird eine ziemlich eigentümliche Mischung aus Kampfsportbedarf, Stahlwaren und Essen-Souvenirs.

Riechen und Fühlen vor dem Kauf

Janez Pisek (64) ist kein Waffen-Narr. „Jeder Brieföffner kann eine Waffe sein“, sagt er nüchtern, „das hängt alles vom Kopf ab, mehr nicht.“ Er nimmt ein klappbares Taschenmesser für 419 Euro aus einer Vitrine. Die Klinge ist aus demselben Stahl, aus dem auch der deutsche Panzer „Leopard II“ gebaut wurde. Mit Leidenschaft kann Pisek über Messer und Klingen und die Kunst des Schärfens sprechen, die er im Übrigen beherrscht, und doch: „So ein Messer hier“, sagt Pisek und betrachtet das 419-Euro-Teil kritisch, „ist nur etwas für Sammler. Es erfüllt die gleichen Funktionen wie ein Schweizer Messer für 50 Euro.“

Überhaupt, die Schweizer: „Das mit Abstand beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Und beispiellose Kulanz als Lieferant.“ Pisek führt noch französische Hirten-Messer vor, die Griffe aus Wachholder-Holz haben („Hier, riechen Sie mal!“) und empfiehlt einem für die Küche ein 100-Euro-Kochmesser deutscher Fabrikation („Fühlen Sie mal, wie gut das in der Hand liegt“), und wie das jetzt alles zusammenpasst hier in seinem Laden, diese ganzen Messer und die bunten Fingerhüte aus Porzellan, auf denen „Essen“ steht, und die Schutzhelme für Boxer – das muss er jetzt langsam aber mal erklären.

"Es ist die Liebe zur Qualität"

Pisek wurde 1948 in Slowenien geboren. Mit seiner Frau Jozefa gründete er in Essen ein Geschäft, seit 1974 sind sie im Haus der Technik. „Bis 1990 haben wir das verkauft, was jugoslawischen Gastarbeitern in ihrer Heimat am meisten fehlt“, berichtet Pisek. Also: Vernünftiges Werkzeug, gute Bohrmaschinen, auch Kettensägen und ordentliches Textil, das was aushält. „Wir wussten ja genau, wie die Situation zu Hause aussieht, und wir können die Sprache, und wir hatten die Kontakte“, sagt Pisek.

Doch dann zerfiel das sozialistische Jugoslawien, es kam der Bürgerkrieg, aber auch die Marktwirtschaft, deutsche Firmen erkannten das Potenzial, gingen hin. „Es ging schnell, plötzlich bekamen Sie dort alles, was es hier auch gibt. Wir mussten uns umstellen. Wir guckten uns ganz genau an, was in der Innenstadt fehlt.“ Also sattelte er um auf Kampfsport, ohne selbst Kampfsportler zu sein, auch seine zwei Söhne nicht. Er sattelte um auf „Essen“-Souvenirs, ohne selbst Tourismusfachmann zu sein. Und aus dem Kampfsport, in dem es auch um Schwerter geht, wurde der Handel mit guten Messern und Klingen. „Es ist die Liebe zur Qualität“, sagt Pisek. „Mehr nicht. Das spricht sich aber ‘rum.“

Ende Juli ist Schluss

Die halbe Kampfsport-Szene im Ruhrgebiet kauft bei „Pisek“ Wettkampf-Anzüge aus steifer Baumwolle. Und der „Essen“-Nippes für Touristen? „Da brauchen Sie schon die Empfehlung der Touristikzentrale im Handelshof“, sagt Pisek. „Das hier ist nämlich keine 1-a-Lauflage.“

Wie auch immer, Pisek verkauft sogar noch Grubenlampen, neue wie gebrauchte, Aschenbecher und Pillendöschen und Aufnäher und Bierseidel und Kühlschrank-Magneten, alle mit dem Stadtwappen. Pisek hat die Entwürfe selbst an die Hersteller geschickt, oder er erfand gleich ganze Produkte: „Hier“, sagt Pisek, „davon haben wir im Kulturhauptstadt hunderte verkauft“: Ein kleines Stadtwappen auf einem Stück Kohle, nicht viel größer als ein Daumennagel.

Pisek findet keinen Nachfolger. „Wenn Sie das hier mit Einsatz machen, können Sie gut davon leben“, beteuert der Geschäftsmann. „Wir haben uns über Monate umgehört, Lieferanten gefragt, wir hatten auch Kandidaten hier. Doch der Ertrag ist manchen zu wenig für den Einsatz, der erbracht werden muss. Uns tut das weh.“