Essen. . Dort, wo Pizza und Pommes gefrieren, tritt Ludger Neumann an: Der Lagerlogistiker nimmt Tiefkühlwaren an, die von Horst aus in Deutschland, Belgien und den Niederlanden ausgeliefert werden. Währenddessen arbeitet Vassilios Papadopoulos im Citygrill Nieding in Kupferdreh. Schweißperlen rinnen von seiner Stirn, die Klamotten kleben am Körper.

Dort, wo Pizza und Pommes gefrieren, tritt Ludger Neumann an: Der Lagerlogistiker nimmt Tiefkühlwaren an, die von Horst aus in Deutschland, Belgien und den Niederlanden ausgeliefert werden.

Statt über die Hitze zu stöhnen oder in Badehose im Freibad einzutauchen, zieht Ludger Neumann wie jeden Tag Mütze, Handschuhe und die Lammfell-Stiefel an. Zwei dicke Pullover streift er sich über, Thermohose und -jacke noch, dann beginnt seine Schicht im ewigen Eis. Der 52-Jährige arbeitet im Tiefkühllager, in dem immer die gleiche Temperatur herrscht: minus 22 Grad Celsius.

Ludger Neumann ist bei der Firma Logistic-Services-Essen (LSE) in Horst für den Wareneingang verantwortlich. Er lädt Paletten mit Pizza oder Pommes von den Lkws ab, etikettiert die Waren („dann werden die Finger schon kalt“), prüft das Mindesthaltbarkeitsdatum, misst die Temperatur. Bis minus 15 Grad geht es weiter aufs Förderband. Ab minus 14 übernimmt der Havariekommissar, der den Eigentümer der Lieferung hinzuzieht, weil die Temperatur die gesetzlichen Vorgaben für Tiefkühl (TK)-Produkte unterschreitet. Die Temperatur in ihren Hallen werde das ganze Jahr überwacht und sei extrem sicher. „Wir haben zwei Stromnetze und ein eigenes Blockheizkraftwerk“, sagt Geschäftsführer Thomas Jähn.

Kaum Ausfälle wegen Erkältung

Bei minus 22 Grad haben die Lagerarbeiter ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Wer kurz die 0-Grad-Zone im Bereich der Anlieferung betritt, der empfindet gar den Gefrierpunkt als angenehm. Zwischen den Regalen arbeiten die Kommissionierer, auch wenn die Bewegung sie wohl kaum warm hält. „Ich stehe sowieso zu 90 Prozent auf dem Hubwagen“, erklärt Neumann, versichert gleich: „Wir frieren nicht“ – für Außenstehende unvorstellbar. An einem Ort, an dem sie mit Filzstiften schreiben, weil Kugelschreiber aufgeben. Und Techniker Spezial-Handys nutzen, damit der Akku nicht kurz nach Betreten der Halle leer ist. „Wir haben kaum Ausfälle wegen Erkältung oder Grippe“, sagt Betriebsleiter Thomas Maubach, der sich wie einige der Lkw-Fahrer gern bei den Kollegen abkühlt – im Thermomantel natürlich.

Rund 100 Mitarbeiter hat das Unternehmen in der Verwaltung und im Lager. In der Kälte sind es 25 pro Schicht, ausschließlich Männer. Sie seien ein eingeschworenes Team, sagt Neumann, die meisten sind seit mehr als 20 Jahren dabei, arbeiteten bereits bei Borgmann auf dem Gelände, bis die Firma 2001 Insolvenz anmeldete. Ludger Neumann gehört seit 32 Jahren dazu. Gewechselt hat sein Arbeitgeber: Nun ist LSE Mieter der riesigen Hallen, in denen sämtliche Tiefkühlprodukte im Auftrag der Produzenten lagern. Von hier gelangen sie unter anderem in die Lagerstätten der Discounter in ganz Deutschland, Belgien und den Niederlanden.

Nur drei Stunden am Stück arbeiten 

In Horst an der Kleinen Ruhrau fasst allein der markante Bau mit 160 Metern Länge und 40 Metern Höhe, auf dem hoch oben noch der Firmenname Borgmann steht, knapp 27.000 Paletten. Dort werden die Produkte bei minus 25 Grad gelagert, der Transport läuft vollautomatisch ohne Menschen. Erst wenn eine Bestellung für Waren eingeht, gelangen sie ins benachbarte Kommissionslager mit 3500 Paletten, dem Arbeitsplatz von Ludger Neumann. „Wir bewegen täglich etwa 3000 Paletten“, sagt Jähn.

Lagerlogistiker arbeiten immer drei Stunden, bevor sie 15 Minuten Pause machen. Sie wärmen sich draußen oder im Pausenraum auf. Ist es so heiß wie jetzt, dann sei es richtig angenehm, wieder die Halle zu betreten. Auch wenn der Unterschied zwischen den Temperaturen enorm sei. „Das ist für den Kreislauf belastend“, sagt Neumann, der keine Probleme habe. Er könne sich auch einen Job etwa im Garten- und Landschaftsbau überhaupt nicht vorstellen, obwohl er die Sonne liebt. „Am Arbeitsplatz ist mir das aber egal.“ Im Urlaub nicht, da geht es nach Spanien, Kroatien oder Italien: „Dorthin, wo es warm ist.“

Zwischen Grillplatte und Fritteuse

Schweißperlen rinnen von seiner Stirn, die Klamotten kleben am Körper, wenn er zwischen Fritteuse und Grillplatte steht, Pommes aus dem 180 Grad heißen Fett holt, die Bratwurst auf der Grillplatte wendet. Vassilios Papadopoulos arbeitet im Citygrill Nieding in Kupferdreh.

„Ich bin in der Gastronomie aufgewachsen“, erzählt der 28-Jährige, dessen Eltern einen Betrieb in Bochum haben. Der Sohn entschied sich dennoch nach der Schule erst für eine Ausbildung zum IT-System-Elektroniker. Nachdem er dann seinen Dienst bei der Armee in Griechenland antreten musste, blieb er einige Zeit im Süden, arbeitete auch dort in einer Taverne an der Theke oder bediente die Gäste. Es ist zwar deutlich wärmer in Griechenland, „aber hier ist die Luft feuchter, daher ist die Arbeit anstrengender“, sagt Vassilios Papadopoulos, der vor einem halben Jahr zurück kehrte und nun mit Frau und seiner wenige Wochen alten Tochter in Kupferdreh lebt.

Immer ein Reserve-T-Shirt dabei

„Im Winter ist es schon angenehmer, hier zu arbeiten“, sagt er. Dann essen die Gäste mehr Haxen, Eisbein oder Gulasch. Was immer geht: Currywurst, Pommes, Mayo, sagt Vassilios Papadopolous. Wenn das Wetter stabil sei - da könne es auch heiß sein wie jetzt - dann essen die Leute. „Zum Glück gibt es ja wenig Sommer in Deutschland“, sagt er lachend, wischt sich den Schweiß mit einem Taschentuch aus dem Gesicht, das er immer griffbereit hat.

Von der Seite weht der Ventilator, dessen Wind aber wenig Chancen gegen die Hitze hat, die das Fett in und über den Fritteusen erzeugt. „Die sind noch harmlos“, sagt Papadopoulos. Er schätzt die Temperatur darüber auf mehr als 60 Grad. „An der Grillplatte ist es noch extremer“, sagt er über seinen Arbeitsplatz, den er mag und an dem er weitermachen will.

Wie er sich abkühlt? „Das Kühlhaus vermeide ich, denn der Temperaturunterschied ist zu heftig“, sagt der 28-Jährige. Was ihm helfe, ist Wasser zu trinken, aber nicht das kalte aus dem Kühlschrank und nicht zu viel: „Sonst schwitze ich umso mehr“, sagt Vassilios Papadopoulos, der immer auch ein Reserve-T-Shirt zum Wechseln mit zur Arbeit nimmt.