Essen. 26 Jahre lang war der Tusem Essen Mitglied der höchsten Spielklasse – und bundesweit ein Begriff. Dann kam 2005 der Absturz. Jetzt startet der Traditionsverein ab dem 25. August wieder in der Handball-Bundesliga – und die Fans können den Saisonbeginn kaum erwarten.
Noch wiegt sich mitten im Zentrum der Margarethenhöhe, am Schatzgräber-Brunnen vor dem Gasthaus, ein kleines Deutschland-Fähnchen im Wind. Ein Fußball-Fan hat es wohl während der Europameisterschaft dem Bronze-Knaben zugesteckt, der da auf einer Kugel sitzend dem Konsum den Rücken zudreht.
Sollte in naher Zukunft der kleine Mann eine Flagge mit Tusem-Logo präsentieren, könnte der Verdacht schnell auf Stephan Krebietke oder Benjamin Thomas zurückfallen.
"Der Tusem ist eine Marke"
Der eine ehemaliger Bundesliga-Spieler, gebürtiger Stuttgarter und nun in der Handball-GmbH tätig, und der andere, seit dem sechsten Lebensjahr Fan und bei fast jedem Spiel als Antreiber bei den Trommlern im Fanblock – sie fiebern dem Bundesliga-Auftakt am 25. August in Flensburg entgegen – wie wohl die meisten Handball interessierten Essener zwischen Borbeck und Burgaltendorf. Und einen ersten Vorgeschmack gab’s für sie am Samstag beim Stadtwerke-Cup in der Halle am Stoppenberger Hallo. Sie können den Start kaum erwarten.
„Der Tusem hat einen Namen, ist eine Marke. Er gehört in die Bundesliga“, sagt Stephan Krebietke, zuständig für Presse und Marketing. 26 Jahre lang war der Verein Mitglied der höchsten Spielklasse – und bundesweit ein Begriff. Ein Werbeträger für die Stadt im vermeintlichen Kohlenpott. Ein Team, das Ende der 1980er Jahre mit drei Deutschen Meisterschaften und Spielern wie Jochen Fraatz oder Stephan Hecker aufwartete.
2008 musste Insolvenz angekündigt werden
Eine glorreiche Zeit, die von der jüngeren Vergangenheit getrübt wird. Nach dem Gewinn des EHF-Pokals 2005 ging’s steil bergab: Insolvenz, Zwangsabstieg in die Regionalliga, ein griechischer Sponsor stand nicht zu seinen Versprechen. Es sollte nicht der letzte Schicksalsschlag dieser Art bleiben. Wieder ins Oberhaus gekämpft, musste 2008 neuerlich Insolvenz angemeldet werden. Wieder hatte man sich von einem Geschäftsmann blenden lassen. Wie ein Kartenhaus brach alles ein, der Täter wurde vor Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt.
Das Team hat sich aufgerappelt; einen gehörigen Anteil haben die Fans daran, die die familiäre Atmosphäre und die Nähe zu den Spielern schätzen. „Der Aufstieg ist eigentlich zu schnell gekommen“, sind sich Krebietke und Thomas einig. „Kein Fan hat damit gerechnet“, sagt der 25-jährige Rüttenscheider. Dementsprechend wäre der Klassenerhalt eine Riesensache. Andere Liga, andere Sitten – das durften die Handballer am Samstag schmerzlich feststellen: Körperliches Dagegenhalten gegen robuste Gegner fehlte Trainer Maik Handschke bei seinen Schützlingen gänzlich.
Die Fans als Waffe
Die „Waffe“, auf die der Verein neuerlich zählt, sind die Fans und zwei TV-Übertragungen bei „Sport1“ gleich zu Beginn der Saison. Um die 3000 Besucher passen in die Halle am Hallo. Benjamin Thomas möchte versuchen, bei jedem Heimspiel dabei zu sein – die Jahre zuvor hat das immer geklappt trotz seines Handicaps, dem Rollstuhl. „In der vergangenen Saison wollte man uns bei der Partie in Schwerin fast aus der Halle werfen, weil wir zu laut waren“, erzählt er lachend von der Stimmung bei den Fanfahrten in die „Dörfer der Republik“.
Wenn demnächst Kiel, Flensburg, Hamburg, Berlin, Gummersbach oder Lemgo auf der Matte stehen, wird das anders aussehen. Dass der Tusem wieder an Attraktivität gewinnt, zeigen die Ticketverkäufe. „Die Nachfrage ist hervorragend“, sagt Stephan Krebietke. Man habe bereits rund 500 Dauerkarten verkauft, doppelt so viele wie in der vergangenen Zweitligasaison. Der Einzelverkauf für die Spiele soll bald unter www.tusemessen.de starten: „Der Spielplan kam leider sehr spät raus“.
Für die Schlagerspiele gegen die großen der selbsternannten „härtesten Liga der Welt“ können Fans aber nicht mit einem Gang in die Grugahalle rechnen: Die Ligaverwaltung der HBL hat sie als nicht-tauglich beurteilt. Benjamin Thomas regt das auf, der Klingeltelefon seines Mobiltelefons versöhnt ihn aber wieder – mit einer Zeile aus dem Tusem-Lied: „Treue zeigen, oben bleiben“