Essen. Die Stadt Essen soll getrickst haben: HartzIV-Beziehern stünden mehr Sozialleistungen zu, sagt die Mietergemeinschaft Essen. Sie kritisiert die Stadt für ihre Auslegung des Bundessozialgerichtsurteils. Die Stadt würde sich das Urteil schön rechnen, lautet der Vorwurf.

Demnach stehen den Beziehern von Transferleistungen in einem Ein-Personen-Haushalt nun 50 Quadratmeter statt der bisherigen 45 zu (wir berichteten). Im Zuge der Rechtsprechung passte die Stadt die sogenannte angemessene Miete an. Die liegt jetzt bei 230,50 Euro. Teilt man den Betrag durch die Wohnfläche, ergibt sich ein Quadratmeterpreis von 4,61 Euro.

Da habe die Stadt mächtig getrickst, moniert die Mietergemeinschaft und hält eine andere Rechnung dagegen, nach der den Beziehern von Sozialleistungen genau elf Euro mehr zustehen: Bisher hätten Ein-Personen-Haushalte nämlich 217,50 Euro bei 45 Quadratmeter bekommen. Macht 4,83 Euro pro Quadratmeter.

Lege man diesen Preis zugrunde, stünde einem Ein-Personen-Haushalt jetzt vielmehr 241,50 Euro zu. Und elf Euro trenne in diesem Segment häufig die Spreu vom Weizen. „Ob ich nun für 230,50 oder für 241,50 Euro eine Wohnung finde, macht einen großen Unterschied“, sagt die Geschäftsführerin der Gemeinschaft, Siw Mammitzsch. Sie wirft der Stadt vor, sich das Urteil schönzurechnen und gibt zu bedenken, „dass der Wohnungsmarkt für die Betroffenen immer enger wird“.

Absoluter Betrag zählt

Man rechne nichts schön, „sondern nach dem qualifizierten Mietspiegel“, antwortet die Stadt. Und bei der Berechnung der angemessenen Miete habe der Quadratmeterpreis noch nie eine Rolle gespielt: „Der absolute Betrag ist entscheidend.“ Und der habe sich ja erhöht. Die Rechnung ist vordergründig richtig. Wenn man außer Acht lässt, dass sich nicht nur der Betrag, sondern auch die Wohnung vergrößert hat.

In dem munteren Rechenspiel öffnet die Stadt noch eine weitere Variable: „Unsere Kunden haben gar nichts davon.“ Schließlich gehe das Geld sofort vom Jobcenter an die Vermieter und nicht an die Leistungsbezieher. Außerdem bedeute die neue Mietobergrenze ja nicht, dass sämtliche Ein-Personen-Haushalte in der Stadt plötzlich in 50 Quadratmeter-Wohnungen ziehen. Dadurch würden die Wohnungen nicht besser, aber im Zweifel teurer. Denn mit der Erwartung, dass Vermieter ihre Mieten entsprechend der neuen Obergrenzen anpassen, rechnet die Stadt mit Mehrausgaben von 7 Millionen Euro (wir berichteten). Erste Schätzungen waren zunächst von 5,6 Millionen Euro ausgegangen.

„Unbedingt vermeiden“

Diese Mehrausgaben bedeuten für viele Städte ein weiteres Loch in der Stadtkasse. Aus diesem Grund haben der Städtetag NRW, der Landkreistag NRW und der Städte- und Gemeindebund NRW den zuständigen Landesministern Michael Groschek (Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung) und Guntram Schneider (Arbeit und Soziales) einen Brief geschrieben, in dem sie vorschlagen, die entsprechenden Richtlinien zu ändern. Von „erheblichen Mehrbelastungen“ ist unter anderem die Rede. Die beschriebenen Einschnitte sei „unbedingt zu vermeiden“, schreiben die Verbände im Namen der knapsenden Kommunen. Ob es hilft? Bei der Stadt stehe man selbstverständlich hinter den Briefen der Verbände, hieß es am Donnerstag.