Essen. Der Arbeitskreis Integration der Essener CDU hat Migranten eingeladen, über ihre ersten Schritte in der Fremde zu berichten. Die Erfahrungsberichte sollen bei der Planung des Welcome-Centers helfen. Das neue Center soll weder die Ausländerbehörde noch das Jobcenter ersetzen sondern qualifizierte Neu-Essener betreuen.

Als Selma Altun vor mehr als 30 Jahren nach Deutschland kam, hat sich keine einzige Behörde für die 13-Jährige interessiert. Schulbesuch? Fehlanzeige. „Obwohl ich bei den Behörden gemeldet war. Deutschkurs? Negativ. „Deutsch habe ich mir selbst beigebracht.“ Ausbildung? „Ich habe als Aushilfe im Altenheim angefangen, die Stelle habe ich mir gesucht.“ Ihr Vater, so die gebürtige Türkin, wurde von niemandem beraten, war überfordert und damit beschäftigt, sich in der Fremde zurechtzufinden.

„Genau dieses Beispiel zeigt, wie wichtig ein Welcome-Center, das neuen Zuwanderern den Start in unsere Stadt erleichtert, für Essen ist“, sagt Esma May, Vorsitzende des CDU-Arbeitskreises Integration. Der hat Migranten zu einer offenen Runde geladen, möchte etwas über deren Erlebnisse bei der Ankunft in Essen erfahren. „Wir wollen die Vorlage mit Leben füllen “, sagt May in die Runde der neun Gäste, die der Einladung gefolgt sind. „Politiker sollten nichts am grünen Tisch entwerfen. Deswegen sitzen wir hier zusammen“, ergänzt Horst Graebe, ehemaliger Vorsitzender des Arbeitskreises.

"Meine Eltern kannten sich im deutschen Schulsystem überhaupt nicht aus“

Ali Sak hört interessiert zu. Der 1965 in der Türkei geborene inzwischen promovierte Krebsforscher war neun, als er nach Essen kam. Dass die Hochbegabung des Jungen damals erkannt und gefördert wurde, lag zum größten Teil an einer befreundeten deutschen Familie. „Denn meine Eltern kannten sich im deutschen Schulsystem überhaupt nicht aus.“ Bei Auseinandersetzungen mit deutschen Behörden halfen sogenannte Dolmetscher, die für viel Geld wenig leisteten: „Die haben uns sehr ausgenutzt.“

Ali Sak liefert damit ein Stichwort, dass alle rege diskutieren: Mehrsprachigkeit. Bislang orientiert sich das geplante Willkommenscenter am Hamburger Beispiel: Im dortigem Welcome-Center sprechen die Mitarbeiter lediglich Deutsch und Englisch. „Das stelle ich mir für Essen anders vor“, sagt Graebe. Über die Qualifizierung der vier Mitarbeiter, die ab nächstem Jahr als „Lotsen“ Neuankömmlinge durch den Behördendschungel führen, bei Wohnungs- und Schulsuche helfen sollen, ist noch nicht entschieden. „Sie sollten aber nach Möglichkeit eine Vielzahl von Sprachen beherrschen, vielleicht selbst Migranten sein“, sagt Esma May.

"Bitte keine Bürokraten“

„Sie sollten aber auch nah am Volk sein und ein echtes Interesse an ihrer Arbeit und den Menschen haben. Bitte keine Bürokraten“, wirft Gülsah Mavruk ein. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die an der Uni Duisburg-Essen für das Projekt „Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationsunterricht“ arbeitet, kann auf einen großen Erfahrungsschatz zurückblicken. „Für die Eltern unserer Schüler sind wir in fast allen Fragen die Ansprechpartner, wir füllen sogar die Hartz IV - Anträge aus.“

Nun soll das neue Center weder die Ausländerbehörde noch das Jobcenter ersetzen. Hier sollen nur qualifizierte Neu-Essener aus dem In- oder Ausland empfangen und betreut werden. Auch Waldemar Reissig gehörte zu den gut ausgebildeten Zuwanderern, als er mit 41 Jahren aus der ehemaligen Sowjetunion nach Essen kam. „Ich fühlte mich überhaupt nicht willkommen“, erzählt der Jurist. Durch alle Formulare musste sich der Russlanddeutsche mittels Wörterbuch alleine durchkämpfen; kein Mitarbeiter der Ämter hätte sich die Mühe gegeben, ihm zu helfen.

„Wir hoffen, dass wir zukünftig mit diesem Center den Menschen die Angst vor der Bürokratie nehmen“, so May. Wünschenswert sei auch, dass das Center nicht nur informiert, sondern gleich Aufenthaltsgenehmigungen erteilen kann. Bislang ist das so nicht geplant.

Das Welcome Center, das im Gildehof angesiedelt werden soll, ist als reine Beratungsstelle geplant. Termine werden per Telefon oder E-mail-Anfrage vergeben; pro Beratungsgespräch sind zehn Minuten angesetzt. Eine unübersehbare Ausschilderung ab Hauptbahnhof soll Neuankömmlingen den Weg zum Center weisen.