Essen. . Zu teuer, zu kompliziert, zu viele juristische Fallstricke: Der Stadtverwaltung ist eine Menge eingefallen, warum sie Ratssitzungen nun doch nicht im Internet übertragen will. Einer der Hauptgründe besteht in der Sorge um den Datenschutz

Die „Hesse“-Debatte in Echtzeit am heimischen PC, der Bibliothekenstreit zum Nachhören und Nachgucken im Sende-Archiv, und die „Ermächtigungsübertragungen in das Haushaltsjahr 2012“ für Hardcore-Interessierte an lokaler Politik – das alles sollte möglich sein, wenn die Stadt sich erst mal anschickt, Ratssitzungen per „Livestream“ ins Internet zu übertragen.

Doch acht Monate nach dem Ratsbeschluss, die schöne neue Netzwelt auch im Stadtparlament Einzug halten zu lassen, kehrt mit der Ratsvorlage 0785/2012/1A Ernüchterung ein – der gestern noch unter dem Eindruck der Piraten-Begeisterung beschworene Wille zu größtmöglicher Transparenz, er erstickt unter einem Stapel von Wenns und Abers, unter finanziellen Bedenken und Sorgen um den Datenschutz. Fazit: Die Stadt möchte von den Live-Übertragungen dann doch lieber Abstand nehmen.

Einer der Hauptgründe besteht in der Sorge um den Datenschutz, denn auch wenn es manchen erstaunen mag – dass da jemand für fünf Jahre als Volksvertreter in den Rat gewählt wurde, bedeutet noch lange nicht, dass er damit automatisch mit Übertragungen einverstanden sein muss. Von der Zuschauertribüne kann jeder jedes Wort hören, kann live und in Farbe sehen, ob jemand rhetorisches Talent unter Beweis stellt oder seine krude Argumentation in der Sache hilflos zusammenstammelt. Das alles auch im Internet zu zeigen, dazu müsste der Betreffende aber gefragt werden.

Zigtausende fürs Personal im Jahr

Und dann die Kosten, wie die Stadt seufzt: Das Bild hochauflösend, die Aufzeichnungen in verschiedenen Formaten, Videobearbeitung, ein Jahr Bereitstellung im Archiv... das kostet: 15.450 Euro einmalig für die Technik und dann 25.104 Euro pro Jahr. Selbst die Minimallösung mit einer Billigkamera schlage mit 16.500 Euro zu Buche. Obendrauf die Personalkosten: „Die Ausweitung der technischen Infrastruktur macht eine personelle Doppelbesetzung der Ratssitzungen erforderlich“, heißt es, und unterm Strich stehe der Umfang einer Planstelle: 46.000 Euro im Jahr, und da ist die Bearbeitung noch nicht inklusive.

Zu teuer für ein paar lokalpolitisch interessierte Bürger, glaubt man im Rathaus, schließlich zeigten die Erfahrungen aus anderen Städten: Massenandrang herrscht im Netz bei Ratssitzungen nicht gerade. Bonn zählt rund 200 Nutzer pro Monat, Kiel etwa 380, Bottrop und Schwerte sind über Planungen noch nicht hinausgekommen.

Dass Interessenten auch mit einem drittklassigen Bild zufrieden wären, mit Billigstservice, Hauptsache, er funktioniert, spielt in der Betrachtung der Stadt keine Rolle. Kein Wunder, dass sich manchem der Eindruck aufdrängt, im Rathaus wolle man die (Internet-)Öffentlichkeit gezielt heraushalten.

Kommenden Mittwoch wird das Thema unter Tagesordnungspunkt 8 im Rat diskutiert. Kann man verfolgen, aber nur von der Zuschauertribüne vor Ort aus. Wer Zeit hat: Die Sitzung beginnt um 15 Uhr.