Essen. . Potenzprobleme bringen das positive Selbstbild von betroffenen Männern stark ins Wanken. Wir haben mit Essener Klinikärzte über Erfahrungen und Hilfsangebote gesprochen - und mit Betroffenen über Versagensängste und die Definition des eigenen Körpers.
Im Büro läuft‘s nicht rund, das Auto streikt, der Termindruck wächst. An einen entspannten Abend ist nicht zu denken, an Intimität noch weniger. „Stress“, sagt Jörg Signerski-Krieger, Sexualtherapeut im LVR-Klinikum an der Wickenburgstraße, „kann zu Impotenz führen.“ Das könne bei jungen Männern vorkommen und nehme mit dem Alter zu. „Erregung setzt Entspannung voraus. Und die beginnt im Kopf.“ Ein Blick, eine Berührung, ein Duft, die als sexueller Sinnesreize vom Gehirn wahrgenommen werden, das nun Nervenimpulse aussendet über das Rückenmark bis zum Penis, der steif wird. Wenn er steif wird.
„Für mich war Sex immer ein wichtiges Thema. Oft sogar das einzige, was mich an einer Beziehung wirklich interessiert hat“, sagt Michael M. Dann kam die Depression und das ,Thema‘ war keines mehr. „Ich hatte gehofft, dass sich das gibt, wenn ich Antidepressiva nehme.“ Doch die nahmen ihm zusätzlich die Lust auf Sex. Damit hätte es ihm egal sein können. Wo keine Lust ist, vermisst Mann keine Erektion - möchte man denken.
„Die war total überfordert mit der ganzen Situation“
„Aber wie stark ich meine Männlichkeit über meinen Körper und meine Potenz definiert habe, ist mir erst da bewusst geworden. Das war etwas, das mich ausgemacht hat. Darauf verzichtet man nicht einfach.“ Hinzu kam das Drängen der Freundin. Er 39, sie 21. „Die war total überfordert mit der ganzen Situation.“ So sehr, dass sie schließlich ging. Dazwischen gab es Versuche, die zunehmend mit Versagensängsten begannen und voller Frustration endeten. „Ich habe mit meinem Therapeuten gesprochen und als der sagte, dass dieser Zustand erst mal so bleiben kann, habe ich die Tabletten selbst abgesetzt.“
Was nichts besserte. Seine Depression verschlechterte sich, ohne dass die Lust wieder zugenommen hätte. „Also habe ich die Tabletten wieder genommen und es mit Viagra probiert. Da war nicht leicht ‘ranzukommen, und teuer war es auch.“ Und vergeblich. „Dann kam so eine Phase mit viel Aktionismus. Sie trug Reizwäsche, ich habe es mit einer Penispumpe versucht. Mit jedem vergeblichen Versuch wuchs die Frustration. Ich habe mich überhaupt nicht mehr als Mann gefühlt. Darum war der Moment, in dem ich einsehen musste, dass sich da beim besten Willen nichts mehr tut, als würden mir die Beine weggerissen.“ All das sei demütigend gewesen.
Als die Freundin schließlich ging, war er hin und her gerissen. Denn fortan fehlte dem depressiven Michael die Betreuerin und Krankenschwester. „Auf der anderen Seite war ich froh, dass ich mich nicht mehr ständig mit dem Thema Impotenz auseinander setzen musste.“ In sich zurückgezogen lebt er nun seit Monaten. Zum früher täglichen Fitness-Training geht er schon lang nicht mehr. „Früher war mir mein Körper sehr wichtig.“
Zwischen 40 und 60 nehmen gelegentliche Störungen zu
Gerade eine feste Bindung ist es jedoch, die über Krisen hinweg tragen kann. „Hat die Impotenz psychische Ursachen, ist eine Therapie oft erfolgreich“, sagt Sexualtherapeut Signerski-Krieger. „Auch bei dauerhafter Impotenz, zum Beispiel nach Operationen, können Paare einen anderen Umgang mit ihrer Sexualität lernen.“ Ein weiterer Faktor ist das Alter. Denn meist beginnen die Probleme mit der erektilen Dysfunktion in der Lebensmitte. Zwischen 40 und 60 nehmen gelegentliche Störungen zu. In der Gruppe der 40- bis 70-Jährigen klagen 25 Prozent über Impotenz. Neben Stress können Aterienverkalkung, Diabetes, hohe Blutfette und erhöhter Blutdruck ebenso wie Hormonstörungen Auslöser sein. „Den Grund für eine Erektionsstörung“, sagt der Sexualtherapeut, „sollte man unbedingt ärztlich untersuchen lassen“.
Wie drängend das Problem empfunden wird, scheint mit dem Alter verknüpft. „Wir haben jüngere Patienten mit Prostatakrebs, die sich nicht operieren lassen, weil das den Verlust der Potenz bedeuten würde“, sagt Stephan Buse, Oberarzt in der Urologie des Alfried-Krupp-Krankenhauses. Zwar gelinge es, bei kleineren Eingriffen, nervenschonend zu operieren und damit die Potenz zu erhalten. Muss die Prostata entfernt werden, ist die erektile Dysfunktion aber unvermeidliche Folge.
Prioritäten verlagern sich
„Damit habe ich mich arrangiert“, sagt ein 73-Jähriger. „Bis zur Operation hatte ich noch regelmäßig Verkehr mit meiner Frau.“ Einmal wöchentlich im Schnitt. „Aber bei der OP ging es um mein Leben. Da musste ich nicht lange überlegen.“ Nein, sagt er, seine Männlichkeit würde er nicht an der Potenz messen. „Das war früher anders.“ Im Laufe des Lebens jedoch verlagerten sich die Prioritäten. Ein zärtlicher Beschützer für seine Frau sein und auf ein erfolgreiches Berufsleben zurückblicken zu können, seien Aspekte, die zunehmend bedeutend waren für sein männliches Rollenbild.
„Ich hatte 50 Jahre Zeit, meine Sexualität und meine Potenz auszuleben. Mir war vor der Operation klar, dass es damit vorbei sein könnte. Damit habe ich mich schon vorher abgefunden. Heute lebe ich meine Sexualität anders aus. Darum empfinde ich keinen großen Mangel.“
Dass nicht alle Männer so souverän mit der Impotenz leben, weiß Stephan Buse, Direktor der Klinik für Urolgoie am Alfried-Krupp-Krankenhaus, aus seiner wöchentlichen Sprechstunde. „Gerade Männer, die eine wesentlich jüngere Frau haben oder Männer, die selbst noch jung sind, leiden extrem unter der Impotenz.“ Und nicht immer könne man medikamentös helfen. „Wenn die Nervenbahnen durchtrennt sind, hilft auch kein Viagra mehr."