Essen. . Im Praktikum zog‘s zwei Essener Schülerinnen vier Wochen lang an eine chinesische Elite-Universität, an der sie Studenten beim Deutschlernen halfen. Nun sollen ihre Stimmen an 100 Unis in ganz China erklingen. Denn Marthe Lagoda und Serife Cantürk sprechen Deutsch-Bände für chinesische Germanistik-Studenten ein.

Mandarin kommt den beiden Schülerinnen Marthe Lagoda und Serife Cantürk noch immer wie Fachchinesisch vor, denn die Sprache aus dem Reich der Mitte sprechen beide nicht. Abgesehen von einigen wenigen Wörtern und Redewendungen. Die eine besucht die zwölfte Klasse am Gymnasium Werden, die andere bereitet sich am Gymnasium Essen-Nord-Ost aufs Abitur vor. Normalerweise. Denn ein vierwöchiges Betriebspraktikum der Al­fried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung verschlug sie im März und April ins ferne China. „Wo wir hinkommen, wussten wir anfangs nicht. Es hätte ebenfalls England oder Belgien sein können“, so Lagoda.

Doch obwohl sie China vorher nicht kannten, waren beide zufrieden mit dem Ticket nach Xuzhou, eine Zwei-Millionen-Stadt zwischen Shanghai und Peking. Dort sollten sie an ei­nem Sitz der „Beijing In­ternational Studies University“ der Germanistik-Professorin Jingping Wang helfen, den Studenten Deutsch beizubringen. Aber daraus wurde am Ende mehr.

Deutsche Abiturientinnen an chinesischer Elite-Hochschule

Beide haben den Studenten nicht nur viel über deutsche Sprache, über Kultur und das Leben im Land der Dichter und Denker beigebracht. Sie waren so eifrig und motiviert, dass Jingping Wang sie gebeten hat, Übungsaufgaben für eine Germanistikprüfung digital aufzunehmen. Mit den Bändern sollen später alle Gemanistik-Studenten in China arbeiten.

Als Wang gebeten wurde, zwei Praktikantinnen aufzunehmen, war sie Feuer und Flamme: „Denn ich habe in Essen studiert, bevor ich in China als Professorin anfing, kenne die Region, das Land und die Leute.“ 20 Stunden sind die Schülerinnen un­terwegs, bis sie die Elite-Hochschule in Xuzhou erreichen. „Es ist so vieles so anders in China, dass man es nicht einfach abfotografieren oder trocken erzählen kann. Es ist

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tatsächlich so, dass man selbst hier sein und alles selbst erleben muss“, betont Cantürk.

Bisher wenig Deutsch-Muttersprachler an chinesischen Unis

Muttersprachler wie sie und Lagoda verirren sich nicht all zu oft in die Uni. Kein Wunder, dass „die Deutschen“ auf dem Campus beliebt sind: Einladungen zum Essen von chinesischen Studenten gehen täglich ein. „Sie sind neugierig und wollen vor allem etwas über das Leben in Deutschland und die Uni Du­isburg-Essen erfahren, da alle den Wunsch hegen, später bei uns weiterzustudieren“, so die Altenessenerin Cantürk. Obgleich die chinesische Schrift schwierig ist, „finde ich die Aussprache sehr leicht; man kann sich daran gewöhnen“.

Da die Fragen der Studenten ähnlich sind, überlegen sich die Schülerinnen, einen Vortrag über Jugendliche in Deutschland zu halten, „aber uns werden sehr viele Fragen über unser Land im Allgemeinen und un­sere Heimatstädte Essen und Duisburg gestellt“, sagt Lagoda. So wird aus einem kleinen ein großer, anderthalbstündiger Vortrag. „Wir spielen unsere Nationalhymne und schaffen durch lustige und interessante Fakten typische Klischees aus der Welt und erzählen vom Leben eines Deutschen, vom Kindesalter bis hin zum Berufsleben“, sagt Cantürk.

Essenerinnen bereiteten Studenten auf Deutsch-Prüfung vor

Und weil nicht nur die Studenten, sondern auch Professorin Wang zufrieden mit den Praktikantinnen ist, helfen beide dabei, die Studenten auf die Prüfung für Germanistik im Grundstudium vorzubereiten, einer der bedeutendsten im ganzen Studi­um. Sie umfassen ein Diktat, kombiniert mit Aufgaben zu Hör- und Leseverstehen, Wort-, Satz- und Textbau.

„Vor allem das Hörverstehen ist ein wichtiger Baustein, bei dem es wunderbar ist, wenn wir zur Vorbereitung Muttersprachler einsetzen können“, sagt Wang. So lesen die Schülerinnen im Unterricht Texte übers Leben im fernen Deutschland vor, während die chinesischen Studenten ihnen lauschen und Fragen zum Gehörten beantworten.

Aufnahmen sollen Schülern in China die richtige Aussprache zeigen

Zurück in Essen nehmen Marthe und Serife die Texte nun digital auf, ohne Bezahlung, um sie dann über das Internet nach China zu senden. Die Aufnahmen mit den Stimmen der zwei Schülerinnen werden bald allen Germanistikstudenten an etwa 100 Unis in China dabei helfen, Deutsch zu lernen. „Dies zu unterstützen, ist uns eine Ehre“, sagt Udo Brennholt, Schulleiter am Gymnasium Essen-Nord-Ost, der die Technik bereitstellt.

Klappt alles, kann sich Professorin Jingping Wang eine umfassendere Kooperation vorstellen. Serife und Martha ist jedenfalls klar, dass sie bald wieder nach China wollen – vielleicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Die beiden Abiturientinnen wollen bald wieder nach China

Die Beijing International Studies University (BISU) wurde 1964 gegründet. Über 10.000 Studenten werden an ihr ausgebildet, bei 800 Lehrkräften, davon über 200 ordentliche und außerordentliche Professoren. Die Hochschule befindet sich im Chaoyang Bezirk in Beijing (Peking), die Hauptstadt der Volksrepublik China.

Sie besitzt acht Fakultäten, die japanische, englische, russische, deutsche, arabische, spanisch-portugiesische, französisch-italienische und koreanische sowie die Institute für Touristik internationale Wirtschaft und Handel, internationale Kommunikati­on, Übersetzung, Recht und Politik, weitere Bildung, Sinologie und internationalen Kulturaustausch.