Essen. . Die Polizei in Essen beklagt immer mehr Unfallfluchten. 4775 waren es letztes Jahr, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Mehr als 40 Prozent aller Unfallfluchten klärt die Polizei auf. Für die so ermittelten Fahrer können die Folgen drastisch sein.

Immer mehr Autofahrer machen sich nach Unfällen vom Acker, ohne sich um den angerichteten Schaden zu kümmern. 4775 waren es letztes Jahr, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Was der Polizei besonders bitter aufstößt: 195 Autofahrer, 14 Prozent mehr als im Vorjahr, fuhren nach Unfällen weiter und lassen Unfallopfer verletzt und oft hilflos zurück.

Genau das passierte bei der spektakulärsten Unfallflucht 2011, am Morgen des 2. Dezember. An diesem Freitag ist ein 58-Jähriger auf dem Rückweg von einer Feier in Altenessen zu seiner Wohnung in Vogelheim. An einer Fußgängerfurt betritt er zwischen 1.52 und 2.02 Uhr die Gladbecker Straße, wird von einem Auto erfasst und 25 Meter weit mitgeschleift. Der Unfallfahrer flüchtet, der Verletzte stirbt. Wenige Minuten später wird er noch einmal überrollt. Diesmal ist es der Wagen eines 22-Jährigen aus Recklinghausen, dessen Begleiter den Körper aus dem Augenwinkel bemerkt und aufschreit: „Du bist über die Beine eines Menschen gefahren!“ Als sie wenden und zur Unfallstelle zurückkehren, hat ein Kleinlaster-Fahrer den Rettungswagen alarmiert. Doch für den 58-Jährigen kommt jede Hilfe zu spät.

Täglich 17 Unfallfluchten

4775 Fälle von Unfallflucht zählt die Polizei 2011 in Essen. Heißt bezogen auf die Gesamtzahl der Unfälle: Inzwischen flüchtet jeder sechste Verursacher vom Unfallort. Statistisch gibt es pro Tag 17 Fälle von Unfallflucht. 2011 gab es bei Unfällen auf Essener Straßen 15 Tote und 2226 Verletzte.

Überprüfung der Berufskraftfahrer

Was haben die Beamten vom Borbecker Verkehrskommissariat nicht alles in Bewegung gesetzt, um diese Unfall aufzuklären. Ein Geländewagen, ein Kleintransporter oder ein Lkw muss den 58-Jährigen erfasst haben, sagen nach der Obduktion die Rechtsmediziner. Also richten die Beamten exakt eine Woche nach dem Unfall zwischen 1 und 3.30 Uhr an der Unfallstelle eine Kontrollstelle ein, um alle Berufskraftfahrer, die regelmäßig in der Nacht zum Freitag unterwegs sind, zu überprüfen und zu befragen. 400 Fahrzeuge stoppen sie in jener Nacht im strömenden Regen - ohne greifbares Ergebnis. Die Beamten haben Tankstellen abgeklappert, Besucher der Nachtexpress-Busse befragt, Fotos aus der Radarkamera ausgewertet, Plakate geklebt und bei Anwohnern um die Unfallstelle herum Klinken geputzt. Vergebens: „Bis heute wissen wir nicht, was dapassiert ist“, sagt Jürgen Urland, Experte für Unfallfluchten beim Borbecker Verkehrskommissariat.

In anderen Fällen war und ist die Polizei erfolgreicher: Mehr als 40 Prozent aller Unfallfluchten klärt sie auf. Für die so ermittelten Fahrer können die Folgen drastisch sein. Erst vor einigen Tagen hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen versuchten Totschlags erhoben gegen einen Essener, der einen Mann angefahren und keine Hilfe geholt hatte (wir berichteten). „Viele Autofahrer wissen nicht, dass sie den Schaden für sich begrenzen können, wenn sie sich nach einer Unfallflucht bei der Polizei melden“, sagt Polizeisprecher Peter Elke. „Die Richter werten das in der Regel strafmildernd.“

Zahl der Unfallflüchtigen steigt weiter

Auch 2012 wird die Zahl der Unfallflüchtigen voraussichtlich steigen. Urland berichtet von „deutlich steigenden Zahlen in den ersten vier Monaten“. Die Ursachen für eine Unfallflucht können vielfältig sein, weiß er. Alkohol am Steuer spielt eine Rolle, Fahren ohne Führerschein oder ohne Erlaubnis des Autohalters. Es gibt auch eine einfache Erklärung, sagt Urland: „Viele Menschen können nicht zugeben, einen Fehler gemacht zu haben.“ Daher tun sie so, als sei nichts passiert. Oder sie tun so, als hätten sie nichts bemerkt. Eine Ausrede, die der erfahrene Verkehrsfahnder selten gelten lässt: „Wenn mir das ein 80-Jähriger erzählt, dann mag das angehen. Aber jeder normale Mensch merkt es, wenn er beim Rangieren irgendwo gegenfährt.“