Essen. . Die Essener Piraten zeigen im Wahlkampf Flagge auf der Kettwiger Straße: Ganz traditionell gibt es Kugelschreiber und Feuerzeuge. Themen sind Studium, Spielplätze und Sexismus. Die Passanten sind geteilter Meinung - so wettet einer 100 Euro, dass es die Piraten in zwei Jahren nicht mehr gibt.
Straßenstand statt Internet, Broschüren statt PDF-Dateien auf dem Bildschirm: Der Wahlkampf treibt die Piraten auf die Kettwiger Straße, ganz traditionell mit Kullis, Feuerzeugen und Ballons. Und die Angesprochenen bleiben stehen.
Auf die Anerkennung des Holocausts pocht ein älterer Herr. Außerdem habe er gehört, dass es beim Piraten-Stammtisch mitunter sexistisch zugehe, was Piratinnen angeht. Ein anderer wettet im Vorbeigehen gleich 100 Euro darauf, dass es in spätestens zwei Jahren keinen Piraten mehr geben wird. „Warum soll es euch anders gehen als den Linken“, ruft der Senior.
Die wiederum wären eine Wahlalternative für eine 40-Jährige aus Huttrop: Sozialticket, mehr Geld bei Hartz IV und Downloads für alle sind ihre Kriterien. „Was habt ihr denn als Bestechung“, fragt sie kess. Erst gibt es das Programm, dann den Kulli und schließlich das Gespräch. „Es muss auf jeden Fall eine Veränderung her. Rot-Grün ist nicht der Brüller“, findet sie.
„Schafft doch Latein für Lehramtsstudenten ab“
Ganz konkret fordert ein 21-Jähriger: „Schafft doch Latein für Lehramtsstudenten ab.“ Meint das sehr ernst, denn das koste ihn drei Semester, sagt der junge Mann mit deutschem Pass. Er bezeichnet sich als integrierter Türke, wünscht sich aber noch einen türkischen Pass. Frau Merkel wolle das ja nicht, so hofft er auf die Piraten. Sein Kommillitone (29) hätte gern auch mit türkischem Pass Bafög, da er zurzeit jeden Morgen von vier bis acht Uhr als Reinigungskraft arbeiten müsse, sagt er, bevor sie zum nächsten Thema kommen: Dritter Weltkrieg.
Für die junge Mutter Gabriele, (21) sind die Piraten bereits die Favoriten. Die großen Parteien habe sie abgehakt, die Linken sind ihr in vielen Ansichten zu radikal. Sehr interessiert an den Piraten ist auch eine Rellinghauserin (54). Obwohl: Sie habe ja gelesen, dass die sich gleich die Diäten erhöhen wollen. Vieles werde bei den Piraten so negativ dargestellt, jetzt will sie selbst in deren Programm nachlesen. Die anderen Parteien stoßen ihr schon lange sauer auf. Die Etablierten können heutzutage einfach bei bestimmten Themen nicht mithalten, sagt sie, fordert moderne Politik und meint Themen wie: Urheberrechtsverletzungen. Sie habe sich nämlich mal etwas heruntergeladen. Das kostete sie Nerven, Anwälte und noch jede Menge Geld.
Persönliche Betroffenheit auch bei einer Mutter (33). Was ihr wichtig ist: „Meine Kinder (6 und 8). Und der Euro muss weg.“ Sie wünscht sich, dass ihre Töchter länger an der Grundschule unterrichtet werden, statt mit zehn auf die Hauptschule zu wechseln, wo sie auf deutlich Ältere treffen: „Ich weiß, was da abgeht.“ Überhaupt tut die Politik nichts für Kinder. In Frintrop gebe es keinen vernünftigen Spielplatz. Asozial sei es, überall liegen Scherben, sagt die Mutter, die vielleicht doch wieder die NPD wählen wird. Erntet dafür kein Verständnis bei ihrem Bruder (33). Er schwankt zwischen Grünen und Piraten. Fest steht für ihn aber: „Die Schulden müssen weg. Auch Essen habe total falsch geplant.“