Essen. . Drei Essener kurz vor der Wahl: Was interessiert Jugendliche? Und was eine Seniorin? Spritpreise, Rauchverbot in Kneipen, ÖPNV, Studiengebühren - Charlotte Drewitz (19), Philipp Mugler (18) und Erika Diergarten sagen uns, was sie sich wünschen.
Charlotte Drewitz hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wo sie am kommenden Sonntag ihr Kreuz setzen wird. „Es gibt keine Partei, die voll das vertritt, was mir wichtig ist“, sagt die Gesamtschülerin. Sie geht in die zwölfte Klasse, ihre Hauptfächer sind Englisch und Geschichte. Charlotte Drewitz will nach dem Abi studieren. Dass die rot-grüne Regierung die Gebühren abgeschafft hat, findet sie gut: „Schließlich ist es gut für das Land, wenn die Leute gebildet sind.“
Charlotte Drewitz kellnert nebenbei, geht gern mit Freunden aus. Was Gaststätten betrifft, würde sie ein völliges Rauchverbot ärgern. Nicht nur, weil sie raucht, sondern weil die derzeitigen Regeln reichen: „Rauchverbot in der Disko ist Quatsch.“ Die Nase voll hat die 19-Jährige von den hohen Spritpreisen, denn sie fährt gern Auto.
Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln müsste nachgebessert werden: „Das funktioniert in anderen Städten besser“, sagt die Schülerin. Die sich auch schon oft Gedanken um die Rente und das Anheben des Rentenalters macht. „Früher hat es doch funktioniert.“ Was sie auch beschäftigt: Wie Politiker mit Geld umgehen und ständig neue Schulden machen. „Das geht nicht.“ Für die Euro-Rettung hat sie allerdings Verständnis: „Das ging ja nicht anders, sonst hätten wir wohl keinen Euro mehr.“
Mit ihren Interessen ist Charlotte Drewitz mal näher an SPD und Grünen, dann wieder bei den Liberalen. Und Piraten? „Gut, dass es sie gibt“, sagt Charlotte Drewitz. „Ich weiß aber nicht, wie sie was verändern wollen.“ Und wenn sie gewählt würden, wie sie all die Kleinigkeiten umsetzen wollen, über die sie diskutieren. Wen Charlotte Drewitz wählen wird, weiß sie noch nicht, Fest steht: Nicht wählen kommt nicht in Frage: „Das sehen auch die meisten meiner Freunde so“.
Die Politik muss stimmen
Philipp Mugler diskutiert viel mit seinen Freunden über Politik: „Sie gehen alle wählen und kennen die politischen Inhalte der Parteien sehr gut“, sagt der 18-Jährige. Der Zwölftklässler macht sein Abi nach 13 Schuljahren (Hauptfächer Mathe und Pädagogik) und findet völlig ok, dass es ein Jahr länger dauert als in anderen Ländern. Was ihn am Zentralabi nervt: „Ständig werden Themen erweitert.“ Das betrifft ihn, denn auch in Pädagogik wird eines hinzukommen, sagt Philipp Mugler, den in der Politik vor allem bewegt, was in seiner Stadt passiert.
Er will später studieren: Irgendwas mit Musik, vielleicht auf Lehramt. Der Schüler macht selbst Musik (Punk), spielt Gitarre und singt. Politisch findet er die Piraten attraktiv, fragt sich aber: „Wie wollen die so viel durchsetzen?“ Mit SPD und Grünen stimmt er in puncto Raucherschutz nicht überein, sagt der 18-Jährige, der selbst raucht und an der Theke in einer Gaststätte arbeitet.
Der Politik macht er den Vorwurf, mit Milliarden herumzuschmeißen und gleichzeitig zu behaupten, für Dinge, die Leuten in seinem Alter wichtig sind, wie Bildung oder Bafög sei kein Geld da. Da fühle man sich veräppelt. Vom Wählen hält ihn das nicht ab, obwohl ihn bislang keine Partei zu 100 Prozent überzeugt habe. Kraft oder Röttgen? „Egal“, findet Philipp Mugler: „Die Politik muss stimmen, nicht die einzelnen Leute.“
Ältere Wähler besser aufklären
Erika Diergarten schätzte den Politiker Rau wegen seiner Menschlichkeit. Auch Hannelore Kraft sei ein Mensch des Ruhrgebietes, sagt die Seniorin. Norbert Röttgen findet sie zu abgehoben. Die Essenerin schaut fast jede politische Sendung an, weil sie sich weiterbilden und Parteien vergleichen will. „Senioren werden zu wenig über Politik aufgeklärt.“
Bei ihrer ersten Wahl war Erika Diergarten Mitte zwanzig, der Zweite Weltkrieg gerade vorbei. Wählen findet sie nach wie vor sehr wichtig. Damals ging es ums Weiterleben, um Aufbau und etwas zu essen. Ihr Mann war politisch sehr engagiert. Sie habe sich aber nicht beeinflussen lassen und immer eine eigene Meinung gehabt. Parteien gab es nur drei. Erst in den 80ern hätten sie sich an die Grünen gewöhnen müssen. Die hätten im Gegensatz zu den Piraten eine Richtung gehabt. „Die Piraten mit ihrer Twitterei im Fernsehen – was soll das“, fragt sich Erika Diergarten. Die ihre politische Linie längst gefunden hat und immer bei einer Partei geblieben ist, auch wenn die mal Fehler gemacht hat: „Darüber muss man hinwegsehen können.“
Heute lebt Erika Diergarten immer noch in Stadtwald, sie hat zwei Kinder bekommen, später als Bürokauffrau gearbeitet. Sie ist zufrieden, auch mit ihrer Rente. Wünscht sich aber mehr Sicherheit am Abend im öffentlichen Nahverkehr und eine Baupolitik, die sich mehr am Denkmalschutz orientiert. Dem alten Rathaus trauert sie nach.
Zum Thema Studiengebühren meint sie: „Der Staat kann nicht alles bezahlen.“ Er sollte vor allem nur das ausgeben, was er hat. Für die Seniorin ist es unvorstellbar, wie die Staatsschulden jemals abgebaut werden sollen. Und Raucherschutz? „Früher hat man selbstverständlich Rücksicht genommen, wenn jemand gegessen hat“, sagt Erika Diergarten. Da brauchte es kein Gesetz. Die Politiker sollten sich um wichtigere Themen kümmern.