Essen.
Das neue Gewerkschaftshaus an der Teichstraße in der Innenstadt wurde eingeweiht. Bis auf die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sind bereits alle eingezogen.
Gewerkschaftshäuser scheinen auch nicht mehr das zu sein, was sie einmal waren: Das neue Innenstadt-Domizil der Arbeitnehmervertreter an der Teichstraße macht da keinen Unterschied. Kein Hauch von Fassade im Architektur-Stil des sozialistischen Realismus, keine Kunst am Bau, wie etwa die des in Vergessenheit geratenen Will Lammert.
Stattdessen hat der Hausherr, die Immobiliengesellschaft der IG Metall, das Gebäude von Düsseldorfer Architekten in ein hippes Bürohaus verwandeln lassen, dass mit den großen, kreisrunden Leuchten im OP-Stil etwas steril daherkommt. Vorher saß dort der Elektronikhersteller ifm, bis er ins Glückaufhaus zog. Bezogen sind noch nicht alle vier Etagen: IG Metall, IG Bau, IG BCE, DGB, dessen Rechtsschutz GmbH und die GEW sind schon alle unter einem Dach. Nur Verdi hatte den Umzug wegen des Tarifstreits im öffentlichen Dienst ausgesetzt und holt ihn, so Sprecher Markus Neuhaus, in der zweiten Juni-Woche nach.
"Ein Haus für Alle"
Mit der neuen Heimat unweit der Kettwiger Straße schlagen die Einheitsgewerkschaftler ein neues Kapitel auf. Das wegen zu hoher Sanierungskosten 2007 verlassene DGB-Haus an der Schützenbahn war seit 1954 der zentrale Punkt. Der bei der gestrigen Einweihung von allen Rednern gelobte Bruno Neumann, erster Bevollmächtigter der hiesigen IG Metall, gilt als Antreiber, als Verteidiger des Mottos „Ein Haus für Alle“.
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Das kann doch nicht sein, dachte sich Neumann, über den Umstand, dass die einzelnen Gewerkschaften sich in alle Winde in der Stadt zerstreuten. Er nahm, so bescheinigen es ihm OB Reinhard Paß, DGB-Regionschef Dieter Hillebrand, und vor allem IG Metall-Vorstand Bertin Eichler in ihren Wortbeiträgen, das Heft in die Hand – preschte voraus, mit vollem Risiko. Das Ergebnis: Die IG Metall, derzeit eine der wenigen Gewerkschaften mit deutlichem Mitgliederzuwachs, und ihre Immobiliengesellschaft fungierten als Bauherr und nun als Vermieter. Solidarisch könnte man es nennen, wenn der Stärkere so die Schwächeren trägt.
Erinnerung an Karl Wolf
Für die Einweihung des Hauses am 2. Mai, explizit nach dem Tag der Arbeit, entschied man sich bewusst: Neumann wirft den Blick zurück auf das Jahr 1933, als am gleichen Tag die SA auch in Essen die Gewerkschaften zerschlug. Den großen Saal im Erdgeschoss des Gebäudes widmet man dem ehemaligen Bezirksleiter des Metallarbeiterbundes, Karl Wolf. Er wurde 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen umgebracht.