Essen. In seinen Anfangsjahren mochte es der Essener Ferienspatz auch gern mal rustikal: Da gab es Brauerei-Besichtigungen und Besuche bei der Bundeswehr. Nach 40 Jahren erinnert das Jugendamt mit einer Ausstellung an solche Kuriositäten und würdigt das bis heute erfolgreiche Ferien-Programm.

Es waren andere Zeiten damals: Da beschloss der Rat im Mai 1973 „die Durchführung einer Ferienspaßaktion“ – und drei Wochen später ging es los. „Mitte Juni begannen ja die Sommerferien und da musste das Angebot stehen“, erzählt Renate Schamberg-Kaiser. Sie war damals als Berufsanfängerin im Amt für Ratsangelegenheiten und ihr Chef hatte keck gesagt: „Wir machen das.“ Gemacht hat sie das dann.

Das war der Beginn des Ferienspatzes, und während es beim 40. Mal in diesem Sommer wieder Hunderte von Aktionen, Kursen und Ausflügen geben wird, gab es beim ersten Mal vor allem freien Eintritt in die Gruga, in Schwimmbäder und Museen. „Sowas ging damals ruckzuck: Ein Anruf vom Amtsleiter und die Kinder durften umsonst ins Grugabad.“ Gegen Vorlage eines eilends entworfenen Ausweises, den ein kleiner Spatz zierte.

Der Ferienspatz sollte im Laufe der Zeit sein Aussehen wandeln, doch das Erfolgsformat war gefunden. Nun will das Jugendamt mit einer Ausstellung auf die vergangenen 40 Jahre zurückschauen und lud dieser Tage sieben städtische Mitarbeiter, die zu verschiedenen Zeiten beim Ferienspatz aktiv waren, ein.

Viele Kinder hatten nie das Meer gesehen

Sie haben alte Programme mitgebracht, in denen ein Ausflug mit der Hespertal-Bahn, Dick-und-Doof-Filme im Pfarrheim oder eine „50 Meilen rund um Essen“-Tour angekündigt werden. „Bald kamen Tagesfahrten nach Nordwijk dazu“, erinnert sich Walter Ruege. Die sind bis heute populär. „Aber damals gab es viele Kinder, die noch nie das Meer gesehen hatten“, sagt Heinz Bittscheidt.

Der Ferienspatz war damals Urlaubsersatz: Vielen Familien fehlte das Geld zum Verreisen, aber Zeit hatten sie. So gab es auch Kabarett mit Lore Lorentz oder Fahrten mit der Elektrischen, bei denen Freibier ausgegeben wurde, die sich eher an eine erwachsene Zielgruppe richteten. „Sehr beliebt waren die Brauereibesichtigungen“, erzählt Thomas Braun. Die Kleinen tranken Malzbier, die Eltern Pils. Bis Jugendschützer meinten, hier werde der Alkohol verharmlost. „Da war der Ferienspatz schon beim Jugendamt angesiedelt – und das geriet in die Kritik“, weiß Edda Haupt.

Fortan machte der Ferienspatz einen Bogen um Brauereien, fand sich aber noch regelmäßig in der Kaserne ein. Auch gegen diesen Tag bei der Bundeswehr gab es Proteste, doch die Kinder robbten gern durchs Gelände. Ob sie Folgeschäden erlitten haben? „Mein Sohn hat sich später für zwei Jahre für die Bundeswehr verpflichtet“, lacht Petra Bourgon. Sie arbeitet seit 2006 im Ferienspatz-Büro und hat wie viele Kollegen auch den eigenen Nachwuchs bei Kursen und Ausflügen angemeldet.

Von großen Zeiten und leeren Kassen

Große Zeiten hat der Ferienspatz erlebt, da verteilte man Wartemarken, verloste Plätze. In den 80ern gab man allein für das Residenzfest auf Schloss Borbeck 44 000 Mark aus und stellte 1000 Veranstaltungen auf die Beine. 1994 waren die Kassen dann leer, der Ferienspatz wurde abgesagt. „Mit Sponsoren haben wir noch etwas für die zweite Ferienhälfte organisiert“, so Bittscheidt. Seither wurde gespart.

Was sich sonst seit der Anfangszeit gewandelt hat, kann Birgit Hofemeister, die den Familienpunkt des Jugendamtes leitet, am Beispiel der eigenen Familie erzählen: „Ich bin in den 70er Jahren groß geworden und meine Mutter war zu Hause. Die hat uns da angemeldet, damit wir Bewegung haben und ihr nicht die Bude auseinander nehmen.“ Sie selbst schätze heute die Betreuung ihrer Kinder, weil sie berufstätig sei und nicht sechs Wochen frei nehmen könne. Viele Eltern fordern jetzt ganztägige Angebote mit Mittagessen, Kinder wollen am liebsten in Freizeitparks. Einige Museumsfahrten gab man indes ans Seniorenreferat ab: „Da saßen mehr Omas als Enkel.“